Unwiderstehliches Verlangen
Entscheidung getroffen hatte, galt es, eine Stellung für Pete, Charleys Mechaniker, zu finden. Sie hatte Pete am selben Tag kennengelemt, an dem sie Charleys Bekanntschaft gemacht hatte. Und seitdem war er immer bei ihnen gewesen, was aber keineswegs bedeutete, daß sie ihn je richtig kennengelernt hätte. Sie wußte eigentlich nichts über ihn, denn Pete war ein großer Schweiger, der selten mal ein Wort herausbrachte. Zuerst empfand sie seine ständige schweigende Gegenwart fast als gespenstisch, doch er war Charley treu ergeben und folgte ihm überallhin.
»Sagt er denn niemals etwas?« hatte sie Charley einmal nachts gefragt, als sie im Bett lagen. Manchmal hatte sie das Gefühl, vor dem Schlafengehen erst unters Bett gucken zu müssen, um nachzusehen, ob Pete vielleicht darunterläge.
Charley hatte sie einfach ausgelacht. »Du darfst nicht den Fehler machen, Pete zu unterschätzen. Mag sein, daß er nie ein Wort sagt. Aber er hört und sieht alles. Und er ist ein fabelhafter Mechaniker.«
»Ich kriege aber eine Gänsehaut, wenn er in meiner Nähe ist«, sagte sie. Doch Charley lachte nur wieder, zog sie über sich und fing an, sie zu küssen. Danach sprachen sie nur noch selten über Pete. Er war einfach jemand, der immer da war - wie ihre Flugzeuge.
Im Laufe der Jahre begriff sie allmählich, was für eine wertvolle Kraft Pete war. Und als der dünne kleine Mann seinerseits merkte, daß Jackie Charley immer treu blieb, sich nicht mit anderen Männern abgab und Charley nie enttäuschte, wandte er auch ihr seine Fürsorge zu. Pete sorgte dafür, daß die Kisten immer flugbereit waren. Und alles, was ein Mechaniker voraussehen konnte, sah er voraus.
Mit der Zeit gewöhnte Jackie sich an ihn, sprach öfter mit ihm, und irgendwie wirkte seine schweigende Gegenwart auch beruhigend. Nie kam er ihr mit einem Vorschlag, wenn sie sich mit ihm unterhielt. Nie machte er eine Bemerkung. Er hörte ihr nur zu und wartete darauf, daß sie ihre Probleme in den Griff bekam.
Nach Charleys Tod war es selbstverständlich, daß Pete sie auf ihrer Tournee weiter begleitete. Doch als sie sich entschloß, nach Chandler zu ziehen, hatte sie keine Ahnung, was er tun würde. Sie erzählte ihm zwar von ihren Plänen, erwartete aber, daß er bleiben und bei einem der unzähligen Fliegerfreunde Charleys arbeiten würde. Pete hatte sie ruhig angehört, während sein verwittertes Gesicht nicht die geringste Gemütsbewegung verriet. Danach fragte er nur: »Wann fahren wir?«
Diese wenigen Worte überzeugten Jackie davon, daß er ihr ebenso treu dienen wollte wie früher Charley, und sie wußte, daß das ein großes Lob für sie bedeutete. Hatte ihr Charlie nicht gesagt, daß Pete ein Snob sei, der nur für die Besten ihres Fachs arbeiten würde? Daß ihn auch ein noch so gutes Gehalt nicht verlocken würde, für jemanden zu arbeiten, den er nicht zu den Besten zählte? Mit diesen Worten hatte Pete ihr klargemacht, daß er ihre Begabung anerkannte und ihre Entscheidung billigte. Impulsiv hatte sie ihm einen Kuß auf die Wange gegeben. Sie fühlte sich an wie altes Leder, doch es bereitete ihr ein unvergleichliches Vergnügen zu sehen, wie er errötete.
Also flog sie nach Chandler, und Pete folgte ihr in ihrem Wagen, nachdem er in einem Anhänger alle nötigen Geräte ihres zukünftigen Lebens verstaut hatte: seine Werkzeuge und viele Ersatzteile. Möbel besaßen ja weder sie noch Pete, und auch keine nennenswerten Kleidungsstücke.
Sie hatte keine Vorstellung davon, was sie in der Geisterstadt Eternity erwartete, wo Mr. Montgomery sie unterbringen wollte. Wenn überhaupt, dann dachte sie baufällige alte Häuser vorzufinden, durch deren Ritzen der Wind pfiff. Sie hatte mit Charley oft so gewohnt, wenn das Glück ihnen nicht so hold war. Die Überraschung war vollkommen, denn alles, was sie vorfand, war schön. Mr. Montgomery hatte für sie das Stadthotel vollständig renovieren lassen. Das Ergebnis war mit einem Wort großartig. Rosarote Rosen auf cremefarbenem Untergrund zierten das neutapezierte Foyer, und die Eichenholztäfelung war frisch gefirnißt. Außerdem war im Erdgeschoß ein wunderschönes Badezimmer mit rosafarbenem Marmor installiert worden, und damit sie eine Verbindung zur Außenwelt hatte, gab es eine Telefonleitung von Chandler nach Eternity. Alles wirkte sauber und einladend.
Für Pete war das Pfarrhaus neu hergerichtet worden — Charley hätte darüber wie über einen guten Witz gelacht. Aus den ehemaligen
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