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Unwiderstehliches Verlangen

Titel: Unwiderstehliches Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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lächeln, so freundlich und unschuldig saß er vor ihr. Jede Bewegung, jeder Handgriff von ihm verriet ihr, daß er sie mit seinen Flugkünsten beeindrucken wollte. Dabei ging er so methodisch vor, daß sie sich fragte, ob er vielleicht nur deshalb Flugstunden genommen hatte, weil Jackie, seine Heldin, Fliegerin war.
    Jackie wußte, daß Fliegen wie alles im Leben eine Sache des Talents ist. Und Talent läßt sich nicht erlernen. Man kann dem Schüler nur gewisse Kenntnisse beibringen, und fast jeder kann »nach Lehrbuch« fliegen lernen. Aber es gibt immer solche, die Talent haben, und solche, die es nicht haben.
    Vor einigen Jahren hatte ein Flugzeugfabrikant einen wunderschönen kleinen Eindecker konstruiert, von dem er annahm, er werde eine Revolution in der Luftfahrt einleiten. Mit großen Hoffnungen schickte er den Testpiloten in die Luft. Das Flugzeug zeigte noch bessere Eigenschaften als erwartet, doch wenige Stunden später zerschellte es aus unerklärlichen Gründen an einem Berg.
    Der Konstrukteur versuchte den Leuten einzureden, daß der Pilot einen Fehler begangen habe, aber Piloten sind ein abergläubisches Völkchen. Und so behaupteten alle, die Maschine wäre verhext. Ein zweiter Prototyp wurde gebaut, und ein zweiter Pilot stieg mit ihm auf. Und das Unglück wiederholte sich. Nach dem zweiten Absturz wagte sich niemand aus der Fliegerwelt mehr in die Nähe einer solchen Maschine, ohne sich zu bekreuzigen oder geringschätzig zu lachen. Manchmal auch beides.
    In seiner Verzweiflung wandte sich der Konstrukteur an Jackie und bot ihr eine stattliche Summe für einen Flug mit seiner Maschine. Jackie sagte sich: Wenn deine Zeit gekommen ist, dann erwischt es dich ebenso gut auf der Erde wie in der Luft. Und dann ist es mir in der Luft schon lieber. Sie nahm das Angebot an. Viele rieten ihr, nicht aufzusteigen, aber sie schlug alle Warnungen in den Wind.
    Einmal in der Luft, erwies sich die Kiste als traumhaft sicher. Sie lag ihr wunderbar in der Hand. Der Steuerknüppel ließ sich so leicht handhaben, daß sie das Gefühl hatte, sie könnte das Ding fast im Schlaf fliegen. Am liebsten wäre sie überhaupt nicht mehr gelandet. Völlig unerwartet war der erste Brennstofftank eine halbe Stunde vor der angegebenen Zeit leer. Der Motor fing an zu stottern und ging dann ganz aus. Jackie war nicht beunruhigt. Sie legte einfach den Schaltknopf für den zweiten Tank um und startete den Motor von neuem. Nichts geschah. Entweder war der zweite Tank auch leer oder die Benzinleitung war verstopft.
    »Das wär’s«, sagte sich Jackie. Flüchtig überlegte sie sogar, wie sie dem Bodenpersonal noch rasch mitteilen könnte, daß die beiden anderen Piloten durch eine defekte Benzinleitung ums Leben gekommen waren. Obwohl sie den sicheren Tod vor Augen hatte, blieb sie merkwürdigerweise völlig klar im Kopf. Sie betrachtete den Schalter für den Benzintank. Kleingedruckt stand darauf EIN und AUS. Oder hieß es AUS und EIN? Sie legte ihn zur anderen Seite um, probierte den Motor, und er sprang sofort an.
    Lachend brachte sie die Kiste einwandfrei auf den Boden zurück und konnte dann zu ihrer großen Befriedigung dem Konstrukteur mitteilen, daß sein Flugzeug nur einen Fehler hatte: Jemand hatte den Schalter falsch beschriftet. Die anderen Piloten hatten ihn auf EIN und damit in Wirklichkeit ausgeschaltet. Nur Jackie war auf die Idee gekommen, es andersherum zu versuchen. Talent, Instinkt oder was immer. Jackie hatte überlebt, weil sie nicht nach Lehrbuch flog.
    Nach zehn Minuten Flug mit William an den Kontrollen war sich Jackie ganz sicher, daß er nie auf die Idee gekommen wäre, den Schalter zur anderen Seite umzulegen. Er war ein äußerst korrekter Flieger. Jeder Handgriff genau nach Vorschrift. Er ging kein Risiko ein und flog absolut sicher.
    Nach einer halben Stunde wurde es Jackie so langweilig, daß sie fast geheult hätte. Begreift er denn nicht, dachte sie, daß Fliegen etwas Kreatives ist? Flugzeuge kümmern sich nicht um Lehrbücher. Flugzeuge bewegen sich durch die Luft. Wo gibt es etwas, das kreativer ist? Aber William flog, als wären überall an den Wolken Verkehrsschilder angebracht. Jedesmal, wenn er eine Kurve flog, erwartete sie unwillkürlich, daß er vorher die Hand zum Abwinken ausstreckte.
    Nach einer Dreiviertelstunde hielt sie es nicht mehr aus. Sie machte ihm Zeichen, daß sie übernehmen wolle, und löste ihn ab.
    Es gibt zwei Arten zu fliegen: mit Passagieren und ohne. Normalerweise benahm

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