Unwiderstehliches Verlangen
Rasche Wein mit ihm zu lachen. Sie mußte sich einen innerlichen Ruck geben, um diesen Gedanken aus ihrem Kopf zu verbannen. Und als es Zeit zum Abendessen wurde, gab sie vor, nach Chandler fahren zu müssen, sie brauche dringend neue Papiertücher.
Sie saß dort im Imbißrestaurant vor einem Teller mit einem Gericht, das der Koch die »Spezialität des Tages« nannte, als Reynata an ihren Tisch kam.
»Du hast doch nichts dagegen?« erkundigte sich das schöne junge Mädchen.
»Überhaupt nicht«, erwiderte Jackie.
Das Mädchen nahm Platz, bestellte ein Coke und schaute Jackie fragend an. »Willst du als erste Frau den Taggie gewinnen?«
Das riß Jackie aus ihren melancholischen Gedanken. »Wo hast du denn das gehört?«
»Meine eigene Idee.«
Jackie lächelte überlegen. »Mir ist so, als habe William auch schon etwas in dieser Richtung erwähnt. Er leidet an einem Komplex: Heldenverehrung. Weißt du, viele junge Männer hegen solche Gefühle gegenüber älteren Frauen.«
»Ich könnte mir denken, daß William dir gegenüber ganz andere Gefühle hegt«, sagte Reynata lächelnd und spielte mit ihrem Strohhalm.
Wütend sprang Jackie auf. »Hör zu, zwischen Billy Montgomery und mir gibt es nur rein geschäftliche Beziehungen. Wer etwas anderes behauptet, ist ein verdammter Lügner! In meinen Augen ist er noch ein Kind und weiter nichts. Früher habe ich ihm die Windeln gewechselt. Wenn ich ihn ansehe, sehe ich immer noch den Milchbart auf seinem dicken Kleinjungengesicht. Dann möchte ich ihm wie damals das Köpfchen tätscheln und ihm ein Schlaflied singen. Ich möchte...« Abrupt brach sie ab. Alle Gäste des Restaurants hatten aufgehört, sich zu unterhalten und starrten zu ihr herüber.
Großartig, dachte Jackie, jetzt habe ich selber alle mißtrauisch gemacht. »Ich muß gehen«, murmelte sie, ließ Rey sitzen und verließ fluchtartig das Lokal.
Nun hatte Jackie wieder drei Tage Williams Ruhe, Williams Organisationstalent, Williams bewundernde Blicke über sich ergehen lassen. Jetzt war es genug. Sie mußte ihn loswerden. Aber wie? Beleidigungen schienen ihm nichts auszumachen — die hatten noch nie bei ihm gefruchtet. Als er noch ein kleines Kind war, hatte Jackie ihm gemeine Wörter an den Kopf geworfen, damit er endlich wegging, und es hatte nichts genutzt. Und sonderbarerweise begann sie jetzt seine schweigsame Gesellschaft sogar zu genießen. Er war so grundsolide. Er war das einzig Verläßliche in ihrem unsteten Dasein.
Was konnte sie also unternehmen, um ihn zum Ausziehen zu bewegen? Denn er mußte weg, bevor die ganze Stadt sich über sie beide die Mäuler zerriß.
KAPITEL 6
Hast du Lust, mit mir zu fliegen, Billy?« fragte Jackie mit ihrer freundlichsten Stimme. »Ich möchte gern sehen, wie du mit einer Maschine umgehen kannst.« Das Lächeln, das ihre Worte begleitete, war honigsüß, aber vergiftet.
Sie hatte ziemlich lange überlegen müssen, bis ihr eingefallen war, daß William ein vorsichtiger Mensch war, dem Sicherheit über alles ging. Als er ihr noch als Kind ungebeten überallhin folgte, war es ihr nur einmal gelungen, ihn loszuwerden. Da hatte sie ihn auf einen Baumstamm gezerrt, der hoch über einem kalten, reißenden, mit Felsbrocken reichlich versehenen Bach lag. Er hatte den Bach tatsächlich auf dem Baumstamm überquert. Aber hinterher hatte er zu ihr gesagt: »Ich kann dich nicht mehr leiden.« Und dann hatte er sich über eine Woche lang nicht mehr bei ihr blicken lassen. Er hatte ihr sogar gefehlt, was sie aber damals nie zugegeben hätte.
Schließlich stand sie dann »zufällig« vor seinem Haus. Seine Mutter machte ihn auf Jackie aufmerksam, und sie ging zu ihm hin. Über den Vorfall am Bach verloren sie kein Wort. Entschuldigungen waren nicht am Platze. Aber als Jackie wieder ging, zottelte Billy wie eh und je hinter ihr her. Vier volle Tage ließ sie sich das gefallen, bis sie ihn wieder anschnauzte und sich die Belästigung verbat.
Heute lasse ich ihn wieder mal über einen Baumstamm gehen, dachte sie. Nur daß der Baumstamm diesmal ein Flugzeug ist. Und diesmal würde sie hinterher nicht zu seinem Haus gehen, um ihn zurückzuholen.
Eine der Wacos, die William angeschafft hatte, war als Schulflugzeug ausgestattet und konnte sowohl vom Sitz des. Piloten wie dem des Flugschülers aus geflogen werden. William saß vorn, Jackie dahinter. Ihr Mechaniker Pete warf den Propeller an, und Jackie gab William mit hochgestellten Daumen das Zeichen zum Start.
Sie mußte
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