Unwiderstehliches Verlangen
Altersunterschied allein. Es war auch Williams ständige Erwähnung des Taggie. Sie mußte dem sofort ein Ende bereiten. William hatte den Blick eines wohlwollenden Fanatikers. Er wünschte, daß sie sich für den Wettflug anmeldete, damit sie in die Geschichtsbücher einging. Dieses Glitzern in seinen Augen war ein Anzeichen dafür, daß er vielleicht etwas Verrücktes anstellen würde. Möglicherweise würde er in der Stadt ver-künden, daß sie an dem Wettflug teilnähme — um sie auf diese Weise zu einer Sinnesänderung zu bewegen.
Traurig kleidete Jackie sich an. Was sie heute vorhatte, war möglicherweise die größte Dummheit ihres ganzen Lebens. Aber selbst diese Einsicht hielt sie nicht davon ab. Dabei war es der Traum jedes unterbezahlten, ruhmbegierigen Piloten, einen Partner mit dem Geld und mit dem scharfen Geschäftssinn eines William Montgomery zu finden. Und William wollte Jackies Licht ja keineswegs unter den Scheffel stellen oder die Leitung der Firma an sich reißen. Nein, er war bereit, sich im Hintergrund zu halten und sich mit der langweiligen Buchführung zu begnügen. Er fügte sich Jackie in allem und sagte bei jeder Gelegenheit: »Ich bin sicher, du weißt am besten, was wir tun müssen.«
Es war zum Verzweifeln. Besonders weil sie seine bedächtige, überlegene Art liebte. Mit ihm an der Seite fühlte sie sich sicher. Anders ließ es sich nicht beschreiben.
Gleich zu Anfang hatte er sie gefragt, wo sie ihre Geschäftsbücher aufbewahre, was zu einem ärgerlichen Streit zwischen ihnen führte. Dabei wußte Jak-kie ganz genau, daß dies kein Vorwand von ihm war, um in ihr Schlafzimmer zu gelangen, wo ihr einziges Kontobuch lag. Er wollte richtige Hauptbücher anlegen, in denen verzeichnet stand, was und wieviel Geld sie von wem noch zu bekommen habe. »Ach, das«, sagte sie und rasselte dann die Namen der Schuldner und ihre Außenstände herunter. Welche Summen sie noch von diesem oder jenem in der Stadt zu erhalten hatte - für Flugplatzbenutzung, für Frachtbeförderung nach Denver, für einen Personenflug nach Trinidad. Sie konnte auswendig hersagen, wer schon bezahlt hatte und welche Summe noch offenstand. Sie nannte ihm aus dem Gedächtnis das Datum und die Dauer jedes Flugs. Sie erinnerte sich noch, wer in Naturalien und wer in bar bezahlt hatte.
Wie gebannt lauschte William ihrer lückenlosen Aufzählung. Dann blinzelte er ein paarmal und sagte, er werde Hauptbücher kaufen und alles korrekt eintragen. Jackie rauschte aus dem Zimmer und rief ihm in flapsigem Ton über die Schulter zu: »Ich hoffe, du verlangst nicht auch noch, daß ich jeden Penny, den ich verdiene, in irgendein Buch eintrage.«
Jackies Plan sah vor, William dazu zu bringen, daß er von sich aus auszog. Außerdem wollte sie vor ihm und jedem Besucher klarstellen, daß zwischen ihnen nie etwas anderes als eine Geschäftsbeziehung bestanden hatte. Für dieses Ziel war ihr jedes Mittel recht. Dafür nahm sie sogar in Kauf, als unfaire Geschäftspartnerin dazustehen. Vielleicht war es dumm von ihr, sich seiner entledigen zu wollen, aber es half nichts. Denn mit jedem Tag, den er hier verbrachte, wuchs er ihr mehr ans Herz.
Sie konnte zu ihm sagen, was sie wollte, er blieb die Ruhe selbst. Einmal riefen an einem einzigen Tag drei Kunden an, um gebuchte Flüge nach Denver abzusagen. Ihre Wut darüber ließ Jackie an dem einzigen Menschen aus, der greifbar war — also an William. Den ganzen Tag lang hackte sie auf ihm herum. »Ist mir ja völlig klar, daß ein kleines Kind wie du nicht weiß, wie frustrierend das ist«, sagte sie. »Du bist noch nicht lange genug auf der Welt und hast keine Ahnung, wie schwer das Leben sein kann.« William hatte kein Wort erwidert, nur stumm eine Braue in die Stirn gezogen. Vor Scham hätte sie sich am liebsten unter dem Tisch verkrochen. Denn wenn einer sich nicht wie ein kleines Kind benahm, so war er es.
Mit jedem Tag, der verstrich, erkannte Jackie klarer, wie gefährlich es für sie war, diesen jungen Mann in ihrer Nähe zu dulden. Das bestärkte sie nur in dem Entschluß, ihn sich vom Leibe zu halten. Am ersten Abend hatte er ihre Küche benutzt, weil sie gerade nicht da war. Am zweiten Abend, als sie da war, fragte er höflich an, ob er ihre Küche benutzen dürfe, weil er oben nur eine Kochplatte habe. Diese Bitte konnte sie ihm nicht gut abschlagen. Einen köstlichen Moment lang stellte sie sich vor, wie schön es wäre, mit einem Mann am Küchentisch zu sitzen und bei einer
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