Unwiderstehliches Verlangen
sehen. Und wenn sie durchaus keine Wettflüge mehr gewinnen wollte, konnte er sein Ziel womöglich dadurch erreichen, daß er sie dazu brachte, aufsehenerregende Artikel zu schreiben.
»Ich halte das für eine glänzende Idee«, fuhr er im gleichen unschuldigen Ton fort. »Deine Kenntnisse von Flugzeugen sind von unschätzbarem Wert. Du könntest eine neue Generation junger Frauen für das Fliegen begeistern und ihnen wichtige Dinge vermitteln. Du kannst deine Kenntnisse weitergeben und eine ganze Nation inspirieren.«
»Ja, stimmt, aber wenn ich so gut wäre, dann brauchte ich mich gar nicht mehr in ein Flugzeug zu setzen. Dann würde ich nur meine Flügel ausbreiten und senkrecht zum Himmel aufsteigen.«
Auch darüber ging er hinweg. »Hör mal zu! Die Zeitschrift hat dir einen Artikel als Beispiel geschickt. >Nita Stinson, die fliegende Stenotypistin, berichtet von ihrem ersten Flug.<« William hatte den Artikel in der Hand und brummte verächtlich. »Eine fliegende Stenotypistin, was ist das schon? Du bist dagegen eine richtige Fliegerin.«
»Zu deiner Information: Nita ist zufällig eine Freundin von mir, und sie ist eine ausgezeichnete Fliegerin.« Jackies Stimme klang feindselig, als sei sie bereit, für ihre Freundin auf die Barrikaden zu gehen.
»Entschuldige. Ich wollte sie nicht angreifen. Vergib mir, daß ich dich zufällig für die beste Fliegerin auf der Welt halte, besser als jeden Mann. Selbst einem Engel Gabriel würde bei deinen Kunstflugfiguren sterbensübel werden.«
Ihr kritischer Blick brachte ihn nur zum Lächeln. Er wollte es ihr also zurückzahlen!
»Also«, sagte er, »versuch es doch mal mit Artikelschreiben!«
Sie gab sich hilflos und hob die verbundene Hand, um ihm zu zeigen, daß ihr das leider unmöglich war.
Sofort griff William zu Feder und Papier. »Du kannst mir diktieren. Ich schreibe alles auf, was du zu sagen hast.«
»Fliegen macht Spaß. Mir gefällt es. Du solltest es auch mal probieren.«
»Komm, Jackie, sei mal ernst! Es muß doch etwas geben, was du den Millionen junger Frauen im Lande vermitteln möchtest, die gern erfahren würden, wie es ist, eine Pilotin zu sein.«
Sie überlegte einen Augenblick. Dann lächelte sie. »Ja, es gibt etwas, das ich gern aller Welt sagen möchte. Bist du bereit?«
Mit zufriedener Miene begann William niederzuschreiben, was Jackie ihm diktierte.
»Die niedrigste Tätigkeit, die eine Frau in ihrem Berufsleben ausgeübt hat, bleibt für immer an ihr hängen. Selbst wenn sie es eines Tages bis zur Präsidentin bringt, wird es heißen: >Miss Jones, eine frühere Vorzimmerdame, ist jetzt Präsidentin der Vereinigten Staaten. < Was soviel ausdrücken soll wie: Sie hat etwas erreicht, das ihre Fähigkeiten weit übersteigt, denn alle wissen ja, daß sie im Grunde wirklich nichts anderes als eine Vorzimmerdame ist. Wie anders ist das bei einem Mann! Wird er Präsident, dann heißt es: >Mr. Jones, der früher einmal als Postverteiler arbeitete, ist jetzt der mächtigste Mann der USA.< Was soviel heißt wie: Mr. Jones hat seine glänzenden Fähigkeiten überzeugend nachgewiesen, indem er sich aus niederen Anfängen beharrlich emporgearbeitet hat. Woraus hervorgeht, daß Miss Jones eine Vorzimmerdame ist, die Präsidentin zu sein vorgibt, während Mr. Jones schon das Zeug zum ersten Mann der USA besaß, auch als er noch Post sortierte.«
William hatte die Feder schon abgesetzt, bevor sie den ersten Satz beendet hatte. Als sie fertig war, grinste sie ihn triumphierend an. Nein, sie war nicht bereit, eine Reihe verzuckerter, veilchenduftender Artikel zu schreiben, um junge Frauen fürs Fliegen zu begeistern. Eine Frau mußte schon hundertprozentig von sich überzeugt sein, um Pilotin zu werden. Denn die Welt der Fliegerei war hart. Es war ein hartes Brot, Tag um Tag von Männern umgeben zu sein, die von vornherein annahmen, daß du versagen wirst, allein deshalb, weil du eine Frau bist — und damit ihrer Meinung nach nicht intelligent genug und unfähig.
»Ist es das, was du dir vorgestellt hast?« erkundigte sie sich mit honigsüßer Stimme.
»Ja, ich habe es mir so vorgestellt. Aber ich bezweifle, daß die Zeitschrift so etwas drucken wird. Komm, ich habe Hunger. Wir wollen uns darum streiten, wer das Fleisch auf deinem Teller zerschneidet. Ich freue mich schon darauf zu gewinnen.«
Lachend gestattete sie ihm, sie in die Küche zu führen.
Als Jackie am nächsten Morgen erwachte, fühlte sie sich pudelwohl. Dabei war sie doch immer
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