Unzaehmbares Verlangen
bitte erklären, was hier vor sich geht?« fragte er Letty, ohne Joel anzusehen. »Wir hatten eine Vereinbarung mit Ihrem Onkel. Alles lief glänzend. Welche Pläne haben Sie als neue Besitzerin der Firma?«
Letty sah Joel verstohlen von der Seite an. Er erinnerte sie an einen Löwen, der darauf wartete, seine Zähne in die weiche Kehle einer Gazelle schlagen zu können.
»Ich möchte heute abend noch nicht über Einzelheiten sprechen, Mr. Copeland«, erklärte sie bestimmt. »Wir wissen beide, daß sich Copeland Marine in Schwierigkeiten befindet, aber ich möchte mir zuerst ihre Firma ansehen, bevor ich eine Entscheidung treffe.«
»Sie wollen sich bei mir umsehen? Hören Sie, Miß Thornquist.. .«
»Bitte nennen Sie mich Letty.«
Copeland grinste erfreut. »Sehr gern. Ich brauche nur ein wenig mehr Zeit und Geld, Letty. Damit kann ich Copeland Marine aus den roten Zahlen holen - das wird etwa ein Jahr dauern. Haben Sie sich die Umsatzzahlen des letzten Quartals angesehen? Im Gegensatz zum vorherigen Vierteljahr sind sie gestiegen.«
»Aber sie werden immer noch mit roter Tinte geschrieben, Daddy«, sagte Diana sarkastisch. »Und ich wette, daß Joel darüber genau Bescheid weiß.«
»Die Zahlen des letzten Berichts waren nur wegen des saisonellen Aufschwungs etwas besser als die vorherigen«, erklärte Joel. »Im nächsten Quartal wird es wieder steil bergab gehen.«
»Verdammt, was wissen Sie denn schon über mein Geschäft?« zischte Copeland.
»Als Charlies Geschäftsführer gehörte es zu meinen Aufgaben, Copeland Marine im Auge zu behalten.« Joels Stimme klang eisig. »Wir haben viel Geld in Ihr Unternehmen investiert - und wir besitzen einundfünfzig Prozent der Firma.«
Letty warf Joel einen warnenden Blick zu. »Ich sagte, ich würde lieber erst morgen über Einzelheiten sprechen. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
Einen Augenblick blitzte Zorn in Joels Augen auf, doch er hatte sich schnell wieder unter Kontrolle.
»Natürlich, Boß. Wie du wünschst.«
»Danke.« Letty vertiefte sich in die Speisekarte.
»Das klingt ja wundervoll: >Natürlich, Boß. Wie du wünschst<«, wiederholte Diana ironisch. Dann trank sie hastig einen großen Schluck Wein. »Wie fühlt man sich, wenn man eine eigene Firma besitzt, Letty?«
»Sehr gut«, antwortete Letty höflich lächelnd.
»Es muß Spaß machen, einen Mann wie Joel herumkommandieren zu können«, meinte Diana und lachte leise. »Wenn er für mich arbeiten würde, wüßte ich genau, was er zu tun hätte.«
Letty brauchte Joel nicht anzusehen, um seine Reaktion auf diese spitze Bemerkung zu prüfen. Sie spürte, wie verärgert er war.
»Ich denke, das reicht, Diana«, murmelte Keith.
Diana lächelte ihn strahlend an. »Aber Liebling, ich habe noch gar nicht angefangen.«
»Halt den Mund, Diana. Du hast zu viel getrunken.« Victor Copeland warf seiner Tochter einen warnenden Blick zu, bevor er sich wieder an Letty wandte. »Möchten Sie einen Drink, Letty?«
»Ja, gern.« Sie sah die junge Kellnerin an, die neben dem Tisch stand. »Ein Glas Weißwein, bitte.«
»Wir haben Sauvignon Blanc, Chardonnay oder Riesling«, erklärte die Bedienung.
»Ein Glas Chardonnay«, bestimmte Joel, bevor Letty antworten konnte. »Und ich nehme ein Bier vom Faß.«
Aus dem Augenwinkel beobachtete Letty, wie Diana die Augenbrauen hochzog.
»So, nun sind Sie also die Besitzerin von Thornquist Gear«, begann Victor gönnerhaft. »Das ist eine große Verantwortung für eine junge Dame.«
»Das hat man mir schon öfter gesagt.« Letty versuchte,
sich ihren Ärger über Copelands herablassenden Tonfall nicht anmerken zu lassen und warf Joel einen bedeutsamen Blick zu. »Manche Leute denken, ich hätte mir zuviel vorgenommen.«
Keith blickte sie interessiert an. »Was haben Sie getan, bevor Sie Thornquist Gear geerbt haben?«
»Ich war Bibliothekarin in einem College in Indiana.«
Diana verschluckte sich beinahe an ihrem Wein. »Eine Bibliothekarin? Das wird ja immer besser. Also eine Bibliothekarin wird Copeland Marine den Garaus machen.« Sie lächelte boshaft. »Natürlich mit Hilfe eines niederträchtigen Emporkömmlings, der seine Instinkte nicht unter Kontrolle hat.« Diana drehte sich zu ihrem Vater um. »Hast du Joel nicht vor fünfzehn Jahren so beschrieben, Daddy?«
Alle reagierten betroffen über Dianas plötzlichen Gefühlsausbruch - nur Joel grinste amüsiert.
Keith starrte seine Frau an, als hätte er sie noch nie zuvor gesehen. »Meine Güte,
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