Unzaehmbares Verlangen
Gedächtnis rufen, daß sie ihm gefährlich werden konnte.
Letty rückte ihre Brille zurecht und nickte anerkennend. »Du siehst gut aus.«
»Hast du gedacht, ich würde in Jeans erscheinen?«
»So wie du dich normalerweise im Büro kleidest, konnte ich nicht sicher sein, was du zu einem Geschäftsessen tragen würdest.« Letty drehte sich um und schlüpfte in hochhackige Schuhe. »Bist du fertig? Wir müssen in zwanzig Minuten im Restaurant sein.«
»Keine Sorge. Das Lokal liegt auf der anderen Seite des Hafens. Wir können es zu Fuß in zehn Minuten erreichen.«
Lettys Miene hellte sich auf. »Gut. Ich möchte gerne mehr von der Stadt sehen, um ein Gefühl dafür zu bekommen.«
»Wozu?«
Sie warf ihm einen unbestimmbaren Blick zu. »Nur so.«
»Tu, was du für richtig hältst.«
Letty lächelte betont freundlich. »Das werde ich - immerhin bin ich der Boß, nicht wahr?«
»Das stimmt«, bestätigte Joel leise. »Aber vergiß nicht, daß eine Menge Geld auf dem Spiel steht. Du solltest heute abend keine voreiligen Entscheidungen treffen.«
»Ich möchte Copeland persönlich kennenIernen, bevor ein endgültiger Beschluß über die Liquidation gefaßt wird.« »Das ist bereits geschehen«, erklärte Joel. »Es gibt kein Zurück mehr. Ich habe dich auf dem Weg hierher über die Zahlen in Kenntnis gesetzt. Uns bleibt jetzt nur noch die Aufgabe, Copeland beizubringen, daß wir seinen Kredit nicht verlängern können und keine weiteren Zuschüsse gewähren werden.«
»Sag ihm das um Himmels willen nicht während des Abendessens.«
»In Ordnung. Ich kann warten«, meinte Joel.
Aber er wußte, das würde nicht nötig sein. Sobald Victor Copeland ihm gegenüberstand, würde dieser wissen, daß er geliefert war.
Letty betrachtete interessiert die Lichter am Hafen, während sie mit Joel die Uferpromenade entlangging. Nur einige wenige buntbemalte Privatjachten lagen vor Anker. Die meisten Boote dienten eindeutig dem Fischfang.
In der Flotte entdeckte sie sowohl kleine Außenborder wie auch größere Schleppnetzboote. Bei einigen war die Farbe abgeblättert, aber alle sahen ordentlich und gepflegt aus. Auf den Decks waren Netze und Seile sorgfältig gestapelt. Ein starker Geruch nach Fisch hing in der Luft.
»Das ist also Echo Cove«, sagte Letty, um das unangenehme Schweigen zu brechen.
»Ja.«
»Kein sehr großer Ort.«
»Nein.«
»Copeland Marine ist wohl eines der bedeutendsten Unternehmen hier?«
»Ja, die größte Firma der Stadt. Es gibt noch ein anderes Unternehmen, das sich auf kommerziellen Fischfang spezialisiert hat, aber im Gegensatz zu Copeland ist es sehr klein.«
Letty dachte einen Moment nach. »Dann ist Copeland wohl der Hauptarbeitgeber hier?«
Joel warf ihr einen raschen Blick zu. »Ja.«
Schweigend legten sie den restlichen Weg zum Restaurant zurück. Letty fragte sich, was mit Joel los war. Seit sie heute nachmittag in die Stadt gekommen waren, schien er völlig verändert.
Sie spürte, daß seine innere Anspannung von Minute zu Minute wuchs. Sicher war das eine der Nächte, in denen er um ein Uhr früh das Bedürfnis hatte, eine Runde zu laufen.
Das Restaurant Echo Cove Sea Grill warb mit einem riesigen, hell erleuchteten Plastikfisch auf dem Dach und einem Schild, das einen herrlichen Blick auf den Hafen versprach. Joel hielt Letty die Tür auf. Im Eingang befand sich ein Steinofen, in dem ein prasselndes Feuer loderte.
Letty lächelte die Bedienung freundlich an. »Ich glaube, Mr. Victor Copeland erwartet uns bereits.«
Die Kellnerin war Anfang Vierzig, stark geschminkt und trug ein Kleid, das für ihre füllige Figur zu eng war. Ihr strohblondes Haar war sorgfältig frisiert. Sie warf Letty einen raschen Blick zu, konzentrierte dann aber ihre Aufmerksamkeit sofort auf Joel.
»Mr. Copeland sagte, er würde nur einen Gast erwarten«, sagte sie, ohne Joel aus den Augen zu lassen.
»Es gab eine kurzfristige Änderung. Ich hoffe, das bereitet keine Probleme«, erwiderte Letty gereizt. Diese Frau konnte sich offensichtlich an Joel nicht satt sehen. Joel hingegen hatte ihr nur kurz zugenickt und sah sich jetzt aufmerksam in dem Lokal um.
»Nein, natürlich nicht.« Die Kellnerin nahm eine zweite Speisekarte in die Hand. »Ich werde gleich noch einen Stuhl holen lassen.« Sie starrte Joel wieder an. »Entschuldigen Sie bitte - kenne ich Sie? Sie kommen mir so bekannt vor.«
»Blackstone«, erwiderte Joel ruhig. »Joel Blackstone.«
Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung.
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