Unzaehmbares Verlangen
machen.«
»Willst du damit sagen, daß ich während der Kaffeepause nicht in dein Büro stürmen und dich voll Begierde auf den Schreibtisch werfen soll?«
Letty wurde rot. »Bitte werde jetzt nicht sarkastisch. Du weißt genau, was ich damit meine. Versprich mir, daß du dich im Büro anständig benehmen wirst. Du selbst hast gesagt, daß das Personal vor der Geschäftsleitung Respekt haben muß. Ich möchte nicht, daß man Witze über uns reißt. Das wäre schlecht für das Ansehen der Firma.«
»Natürlich.« Joel hob den Koffer auf und ging damit zur Tür. »Gut, daß du mich daran erinnerst. Ich weiß nicht, wie ich es in den letzten zehn Jahren ohne dich geschafft habe.«
Nachdem Joel das Zimmer verlassen hatte, lehnte sich Letty erschöpft gegen den Türrahmen. Ihr ganzes Weltbild war plötzlich in Unordnung geraten. Alles schien außer Kontrolle und gefährlich zu sein. Es war ein beunruhigendes Gefühl.
Aber auch sehr aufregend.
Als Letty am späten Nachmittag ihr Büro betrat, verstärkte sich die unerklärliche Ahnung, daß etwas Unangenehmes auf sie zukam. Arthur Bigley zwinkerte noch heftiger als gewöhnlich.
»Gut, daß Sie zurück sind, Miß Thornquist.« Arthur sprang nervös auf. »Ich wußte einfach nicht, was ich tun sollte. Er kam hereingestürmt, als gehörte ihm das Büro. Als ich Mrs. Sedgewick anrief, meinte sie, Joel Blackstone würde sicher sehr wütend werden. Und das schien sie auch noch zu freuen.«
Letty seufzte. »Worum geht es denn, Arthur?«
»Dieser Mann, der ständig versucht hat, Sie zu erreichen, ist hier. Ich habe versucht, ihn aufzuhalten, aber er ist einfach in Ihr Büro marschiert.«
»Ein Mann? In meinem Büro?«
»Ja, er kam schon vor einigen Stunden.« Arthur senkte die Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. »Er behauptet, er wäre Ihr Verlobter.«
»Philip?« fragte Letty entsetzt. »Er sitzt in meinem Büro?«
Arthur sah sie aufgeregt an. »Er sagte, er wäre Professor Philip Dixon und mit Ihnen verlobt. Ich wußte nicht, was ich tun sollte, Miß Thornquist. Mrs. Sedgewick hat mir nicht geholfen. Ich glaube, sie freut sich sogar über diese unangenehme Situation. Wahrscheinlich ist es ihr nur recht, wenn Mr. Blackstone böse wird und mich feuert.«
»Keine Sorge, Arthur - Sie arbeiten schließlich für mich.«
»Aber er wird mich dafür zur Verantwortung ziehen, daß sich Professor Dixon jetzt in Ihrem Büro aufhält.«
»Beruhigen Sie sich, Arthur«, befahl Letty mit fester Stimme. »Ich werde mit Mr. Blackstone sprechen. Doch zuerst werde ich mich um Professor Dixon kümmern.« Entschlossen stieß sie die Tür zu ihrem Büro auf.
Philip saß so gelassen an ihrem Schreibtisch, als wäre er der Chef. Letty holte tief Luft. Es überraschte sie selbst, wie sehr sie Thornquist Gear mittlerweile als ihr Eigentum betrachtete.
»Hallo, meine Liebe.« Philip stand auf und streckte die Arme aus. »Man hat mir gesagt, du wärst verreist. Ich habe auf dich gewartet. Es gibt einiges zu besprechen.«
Letty stellte fest, daß er sein ganz spezielles Lächeln - etwas überheblich, aber charmant - immer noch zur Schau stellen konnte. Damit wickelte er nicht nur seine Kollegen, sondern offensichtlich auch die Studentinnen um den Finger. Sie mußte sich eingestehen, daß er außerdem sehr attraktiv aussah.
Er trug ein Tweed-Jackett, eine dazu passende Flanellhose, ein blaues Hemd und eine braungestreifte Krawatte mit dem Emblem einer bekannten Privatuniversität. Letty wußte allerdings, daß er sein Examen an einer staatlichen Hochschule in Kalifornien abgelegt hatte.
»Was hast du in meinem Büro verloren, Philip?« fragte sie scharf und ging rasch zu ihrem Chefsessel. Während sie sich setzte, legte sie die Akte von Keith Escott auf den Tisch und faltete die Hände. »Was tust du hier in Seattle?«
»Was für eine Frage.« Philip schlenderte zu dem Besucherstuhl vor dem Schreibtisch, zog sorgfältig seine Hose hoch, um die Bügelfalten nicht zu zerknittern, und setzte sich. »Natürlich wollte ich mit dir reden«, erklärte er mit sanfter Stimme.
»Wozu?«
Philip schüttelte traurig den Kopf. »Warum reagierst du so feindlich, Letty? Ich habe gehofft, du hättest dir inzwischen Gedanken über unser letztes Gespräch gemacht. Ich bin immer noch der Meinung, daß eine Therapie wahre Wunder bewirken könnte.«
Letty rang mühsam um Beherrschung. »Ich habe dir schon gesagt, daß ich keinen Therapeuten brauche.«
Er runzelte nachdenklich die Stirn.
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