Unzaehmbares Verlangen
Morgan stand auf, um seine Frau zu begrüßen. »Wir haben Besuch.«
»Wer ist es denn?« Stephanie kam rasch herein. »Oh, hallo, Joel. Wie geht es Ihnen?«
»Gut, danke. Wo ist Letty?«
Stephanie warf einen Blick über die Schulter. »Letty, Joel ist hier.«
»Das habe ich gehört.« Letty trug eine Daunenjacke von Thornquist Gear und musterte Joel vorsichtig. »Was willst du hier?«
»Dreimal darfst du raten.«
Sie runzelte die Stirn. »Du hättest damit meinen Vater nicht belästigen sollen.«
»Er hat mich in keinster Weise belästigt«, widersprach Morgan, während er Stephanie aus dem Mantel half. »Wir hatten eine sehr interessante Unterhaltung über die Gründe, die Dixon dazu bewegt haben könnten, nach Seattle zu reisen.«
»Ich glaube, uns allen ist klar, warum er hergekommen ist«, meinte Joel düster.
Stephanie nickte ernst. »Ja, das liegt wohl auf der Hand.«
Morgan runzelte nachdenklich die Stirn. »Thornquist Gear könnte in seinen Überlegungen eine wesentliche Rolle gespielt haben.«
Joel fühlte sich bestätigt. Alle schienen seine Meinung zu teilen, daß Dixon eine Gefahr darstellte; jetzt mußte selbst Letty das einsehen. Er sah sie gespannt an. Sie schob trotzig das Kinn vor und schien sich in ihre wattierte Jacke verkriechen zu wollen.
»Vielen Dank für eure hochgeschätzten Anmerkungen zu diesem Thema«, sagte sie kühl. »Gut zu wissen, daß keiner von euch auch nur einen Gedanken an die Möglichkeit verschwendet, daß Philip wegen mir in Seattle sein könnte.«
Morgan und Stephanie warfen sich einen verständnisvollen Blick zu, und Joel wünschte verzweifelt, er hätte die Situation auf eine andere Weise gehandhabt. Er trat einen Schritt vor und legte seine Hand auf Lettys Arm.
»Komm, ich bringe dich nach Hause. Bist du mit dem Wagen hier?«
»Nein, ich habe den Bus genommen.«
»Um so besser.« Er nickte Morgan und Stephanie zu. »Gute Nacht.«
»Gute Nacht«, erwiderte Morgan. »Kommen Sie bald einmal wieder zu uns.«
»Gern.« Joel führte Letty zur Tür.
Schweigend stiegen sie in den Jeep. Joel fuhr zügig auf die Hauptstraße, mußte aber kurz darauf an einer Ampel halten.
»Hör zu, Letty«, bat er. »Es tut mir leid, wenn es dich verletzt, daß jeder glaubt, Dixon wäre nur wegen Thornquist Gear und nicht deinetwegen nach Seattle gekommen. Nimm es bitte nicht persönlich.«
»Das soll ich nicht persönlich nehmen?« Letty starrte auf die Straße. »Ich habe dir schon einmal gesagt, daß es dir an Feingefühl fehlt, wenn es um Frauen geht. Versuch bitte nicht, mich zu beschwichtigen. Mein SeIbstbewußtsein hat schon genug gelitten, also mach die Sache nicht noch schlimmer.«
»Du würdest Dixon nicht zurückhaben wollen, selbst wenn er auf allen vieren angekrochen käme«, behauptete Joel. »Dazu bist du viel zu stolz.«
»Glaubst du?«
»Da bin ich mir verdammt sicher. Und jetzt laß uns über die geschäftliche Seite sprechen.«
»Dazu bin ich heute abend nicht in der richtigen Verfassung.«
Joel ignorierte ihren Einwand. »Hast du Dixon gesagt, er solle sich aus der Firma heraushalten?«
»Philip läßt sich selten etwas sagen. Außerdem ist Management sein Spezialgebiet. Er hat einige Erfahrung mit Unternehmen in der Größenordnung von Thornquist Gear. Vielleicht wirkt er manchmal ein wenig aufdringlich, aber er versteht sein Fach. Für ihn wäre es kein Problem, die Firma zu leiten.«
»Seine Erfahrung auf diesem Gebiet interessiert mich nicht. Ich werde es auf keinen Fall zulassen, daß er eure frühere Beziehung ausnutzt, um mir bei Thornquist Gear das Heft aus der Hand zu nehmen.«
»Ich mache mir Sorgen um Stephanie«, sagte Letty unvermittelt.
»Was?« Joel versuchte vergeblich, ihren Gedankengängen zu folgen. »Was hat Stephanie damit zu tun? Wir sprechen darüber, wie wir uns gegen Dixon behaupten können. Meiner Meinung nach solltest du diesen Wichtigteuer mit einem harten Schlag auf den Kopf in die Wirklichkeit zurückbefördern. Ich bin dir dabei gern behilflich.«
»Sie hat Angst, Joel.«
»Wer? Stephanie?«
»Ja.«
»Angst vor Dixon?« Joel runzelte verblüfft die Stirn. »Aber dazu besteht kein Grund. Ich bin sicher, wir beide werden mit dem Kerl fertig.«
»Sie fürchtet sich vor der Geburt.«
Endlich begriff Joel, daß Lettys Gedanken sich im Augenblick nicht um die Firma drehten. »Was ist denn passiert? Gibt es Probleme?«
»Nein, eigentlich nicht. Soweit ich weiß, läuft alles bestens.«
»Wahrscheinlich ist es normal,
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