Unzaehmbares Verlangen
reißen, nur weil er in den verstaubten Vorlesungssälen in Vellacott eine große Nummer ist.«
Morgan verschränkte die Arme vor Brust und musterte Joel über den Rand seiner Brille. »Das würde mich nicht überraschen. Professor Dixon war schon immer sehr ehrgeizig. Er sucht schon seit langem nach einem geeigneten Unternehmen, in dem er seine Theorien über Management ausprobieren kann.«
»Thornquist Gear ist keine Versuchsanstalt«, erwiderte
Joel zornig. »Allerdings könnte ich mir vorstellen, einige Vivisektionsgeräte anzuschaffen, wenn er mich zu sehr herausfordert.«
»Anscheinend sieht Dixon in Thornquist Gear die ideale Gelegenheit, seine Lehren so anzuwenden, daß für ihn einiges dabei herausspringt.«
»Das wird ihm nicht gelingen«, murmelte Joel. »Der einzige Weg, um an die Firma heranzukommen, besteht für ihn darin, Letty zu heiraten. Und das werde ich nicht zulassen.«
»Ich verstehe. Weiß Letty das?«
»Das hoffe ich.« Joel sprang auf und ging unruhig zum Fenster hinüber. Durch den leichten Regen sah man die Lichter der Stadt. Es war ein fantastischer Ausblick. Und ein wunderschönes Heim. Die Thornquists hatten es anscheinend wirklich geschafft.
Nervös sah er auf seine Armbanduhr und fragte sich, wann Letty endlich kommen würde. Allmählich konnte er es kaum mehr erwarten, ihr gegenüberzustehen. Sie hatte ihm eine Menge zu erklären, und er würde dafür sorgen, daß sie ihm Rede und Antwort stand. Anschließend wollte er mit ihr ins Bett gehen, und alles andere ergab sich dann von selbst. Dixon konnte ihm gestohlen bleiben.
»Es scheint Sie sehr zu beunruhigen, daß Letty Philip Dixon ernst nehmen könnte«, meinte Morgan.
»Dixon ist nur ein kleiner Betrüger.«
»Sind Sie sicher?«
»Absolut.« Joel sah wieder auf die Uhr.
Morgan blickte nachdenklich ins Feuer. »Meine Tochter ist nicht dumm. Ich habe sie zu klarem und logischem Denken erzogen. Deshalb kann ich mir kaum vorstellen, daß sie auf einen Betrüger hereinfällt.«
»Letty ist ein kluges Mädchen, aber in manchen Situationen reagiert sie zu gefühlsmäßig, um logisch denken zu können.«
»Wie bitte?« Morgan warf ihm einen erbosten Blick zu.
»Sie ist nun einmal eine sehr gefühlsbetonte Frau. Und manchmal zu naiv und vertrauensselig.«
»Unsinn. Sollte Letty sich entschließen, Philip Dixon zu heiraten, wird sie dafür gute Gründe haben. Von mir hat sie gelernt, in einer kritischen Situation immer alles eingehend abzuwägen. Seit sie fünf Jahre alt ist, mußte sie mir logische Gründe für alle wichtigen Entscheidungen in ihrem Leben nennen. Ich bin überzeugt, daß sie einen so bedeutenden Schritt wie eine Heirat nicht machen würde, ohne vorher alle Gegebenheiten ganz genau zu überprüfen.«
Joel drehte sich rasch um und starrte Morgan verblüfft an. »Sprechen wir wirklich über dieselbe Frau?«
»Ich denke schon.«
»Verzeihen Sie mir, Morgan, aber ich glaube, Ihre Tochter besser zu kennen als Sie. Letty handelt in erster Linie nach ihrem Gefühl.«
»Aber nein. Sie ist intelligent und denkt rational und analytisch. Ich habe dafür gesorgt, daß sie diese Fähigkeiten schon als Kind entwickelte.«
»Was, zum Teufel, würden Sie denn tun, wenn sie beschließt, Philip Dixon zu heiraten?« fragte Joel erbost. »Würden Sie sich etwa bequem zurücklehnen und sich denken, daß sie schon weiß, was sie tut?«
»Letty ist neunundzwanzig Jahre alt. Wenn sie bis jetzt noch nicht gelernt hat, folgerichtig zu handeln, ist es zu spät, sich darüber Sorgen zu machen. Ich bin allerdings davon überzeugt, daß sie die richtige Entscheidung treffen wird. Höchstwahrscheinlich wird sie Philip nicht heiraten, weil sie weiß, daß sie ihm nicht voll und ganz vertrauen kann.«
»Denken Sie an die Geschichte mit der kleinen Studentin? Meiner Meinung nach wird ein so aalglatter, redegewandter Kerl wie Dixon sich durch dieses Mißgeschick nicht sein Spielchen verderben lassen. Er ist hinter der Firma her - deshalb wird er nichts unversucht lassen, um sich Letty zu angeln.«
Morgan sah Joel nachdenklich an. »Haben Sie Letty schon gefragt, wie sie darüber denkt?«
»Ich habe Ihnen bereits gesagt, daß ich noch keine Gelegenheit hatte, mit ihr zu sprechen. Sie ist einfach verschwunden.« Joel hob den Kopf, als er plötzlich den Schlüssel im Schloß hörte.
»Das werden wohl Stephanie und Letty sein«, meinte Morgan.
»Das wurde aber auch Zeit.«
»Morgan?« rief Stephanie.
»Hier bin ich, mein Liebling.«
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