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Unzeitgemäße Gedanken: Tagebücher 2 (German Edition)

Unzeitgemäße Gedanken: Tagebücher 2 (German Edition)

Titel: Unzeitgemäße Gedanken: Tagebücher 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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aufzubessern, ihre Existenz noch um ein paar Wochen zu prolongieren und Budapest und alles andere zu verlieren, was vom Land übrig geblieben ist! Mit dieser Meute gibt es wahrhaftig kein Verhandeln, für sie kann es keine Gnade geben.
    Ich weiß, dass es Gott gibt, ich kann ihm jedoch keinerlei Gesicht geben; ich nehme ihn in allem wahr wie das Leben. Zu ihm sprechen kann ich nur mit ganz einfachen Worten wie zu einem Tier oder einem Kind; wenige Worte genügen ihm, um zu verstehen.
    Hassan, den ich darauf aufmerksam machte, dass es ganz in der Nähe einen Ort gibt, der den Namen seines Stammes – Izbég! – trägt, kocht aus einem Ochsenschädel Sülze und erzählt während des Kochens ausführlich und verträumt von Taschkent. Während er berichtet, entsteht ein paradiesisches Bild vor meinem geistigen Auge. Taschkent sei am schönsten, sagt er, weil dort Licht brenne, es in den Häusern im Sommer sehr warm sei und in der Nähe seiner Wohnung warmes Wasser aus der Erde hervorquelle. Ich mache ihn darauf aufmerksam, dass all das im letzten Sommer auch für Budapest noch zutraf; er blinzelt jedoch zweifelnd.
    Zu Hause trage er einen bunten Kaftan, sagt er stolz. Und mit geheimnisvollem Lächeln rührt er im Topf das Gebräu mit dem Ochsenschädel. Er ist ein zerbrechlicher Mann von kleiner Gestalt mit Schlitzaugen und feinen Manieren, auf seine Art auch sauber; gestern spülte er zum Beispiel das Geschirr ab, und im Abwaschwasser wusch er sich danach die Haare.
    Z. hat sich mit einer russischen Soldatin angefreundet, die sie mit einem Militärlastwagen nach Buda hineinschickte, weil sie ihre kleine Tochter aus dem belagerten Zugliget herausholen wollte. Doch die Insassen des Wagens schafften es nur bis Óbuda ; am Haus Lajosstraße 84, etwa dreihundert Meter vor der Margaretenbrücke, ging es nicht mehr weiter, weil sich dort schon die Front befand; zur Tarnung in weiße Mäntel gehüllt, beschoss die russische Artillerie die Straße. Sie fuhren nach Szentendre zurück (wo es schon Strom gibt, Radios gibt es aber auch dort keine, weil alle Apparate abgegeben werden mussten), dort schlief sie zwischen den Krankenschwestern im Keller des Spitals. In Szentendre versammelt sich die Bevölkerung nachts, wenn möglich, in den Kellern, weil man sich vor Bomben und auch vor anderen nächtlichen Unbilden fürchtet. Unterwegs, in Csillaghegy, bei Budakalász, sah sie auch offensichtlich unberührte Dörfer; doch in Óbuda ist alles schon traurig zerschossen, alle Fenster sind geborsten, die meisten Häuser zerstört, aus den Kellern wanken in Tücher gehüllte Menschen hervor, sie bitten um etwas zu essen, betteln um Brot; alle, die nicht wissen, wie das Leben an der Front, inmitten von Straßenkämpfen ist, sollen nur Gott danken! Unsere Lage in diesem verrotteten Zuhause, das man in eine schmierige Werkstätte und Kaserne umgewandelt hat, ist im Vergleich zu dem, was sie gesehen hat, paradiesisch.
    Und wirklich, als ich in den frühen Morgenstunden mit offenen Augen in der Dunkelheit liege, das Schnarchen und Krächzen meiner Gäste höre, glaube auch ich, dass diese unsere jetzige Situation nicht nur erträglich, sondern in vieler Hinsicht beneidenswert ist. Den elften Tag leben wir jetzt in dieser ungezwungenen, trauten Beziehung mit wildfremden kirgisischen, tatarischen und russischen Mechanikern, Kraftfahrern; und es hat sich ein menschlicher Umgang ergeben, den ich mir vor zwei Wochen nur schwer hätte vorstellen können und der eigentlich nicht der schlechteste allen vorstellbaren menschlichen Umgangs miteinander ist. Aus diesem Umgang habe ich viel gelernt: von ihnen, über sie, die Welt und die Menschen; ich habe neue Fähigkeiten und Möglichkeiten entdeckt, zum Beispiel, dass man mit Tonfall, Blicken, Satzmelodie sogar ganz wilde, alkoholschwangere Situationen entspannen, dass man im Schmutz leben kann. Und einen bestimmten Schutz gibt uns diese Instandsetzungseinheit auch, sie ist eine Art Leibwache, denn die älteren Jahrgänge haben darauf geachtet, dass uns keine nächtlichen Plünderer und Gewalttäter störten.
    Mit Mann und Maus leben wir in diesem stinkenden Loch; vorerst essen wir noch kein Fleisch von verendeten Pferden wie die Menschen in Budapest; L. und Z. kochen für die Soldaten, die ihnen aus ihrer Küche manchmal Brot bringen; und Z. hat von ihrem Ausflug nach Óbuda fünfhundert Memphis-Zigaretten mitgebracht, die ihr ein russischer Chauffeur schenkte, der gerade einen Sack voller Tabakwaren

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