Unzertrennlich
vielleicht bis bald mal, viel Spaß noch.«
Sie ging mit schnellen Schritten los, drehte sich nach einigen Metern noch mal um und warf ihnen eine Kusshand zu. Sven winkte zurück. Mathias sah ihn an.
»Und schon ist sie weg. Zauberhaft, oder? Ich habe ihre Handynummer.«
Sven schüttelte den Kopf und kramte in seiner Jackentasche.
»Knallkopf, du lernst es nicht. Misch dich nicht in mein Liebesleben ein, dann kriegen wir auch keinen Streit. Kriegst du das hin?«
Er reichte ihm ein Kaugummipapier. Mathias wehrte ab.
»Ich mag keinen Kaugummi.«
»Das ist auch nur das Papier, schreib mir ihre Handynummer auf. Nur so.«
Grinsend kritzelte Mathias Christines Nummer auf den Zettel und pfiff dabei ›An der Nordseeküste‹.
Als Christine den Hausflur betrat, kam ihr ihre Mutter mit leeren Tellern entgegen. »Ich wollte dich schon als vermisst melden. Bist du ins Hafenbecken gefallen?«
Christine nahm ihr die Teller ab.
»Tut mir leid, ich habe zwei Bekannte getroffen und total die Zeit vergessen.«
»Du hast geraucht und getrunken.« Charlotte schnupperte. »Na ja, du bist alt genug. Und? War er schnuckelig?«
»Wer?«
»Du hast so komisch ›zwei Bekannte‹ gesagt. War da was Flottes dabei?«
»Mama, bitte.«
Charlotte kicherte. »Ich kann ja wohl mal fragen. Komm, Kind. Lass uns mit Renate und Agnes einen Sekt trinken, wir füllen dich ab und fragen dich dann aus.«
Christine lächelte und folgte ihrer Mutter hinaus in den Garten.
Lübeck
Frauke drehte sich vor dem Spiegel, um sich von der Seite betrachten zu können. Sie stöhnte. Sie sah in diesem Anzug aus wie eine Wurst, er war eindeutig mindestens eine Nummer zu klein. Ungeduldig riss sie den Reißverschluss auf, stieg aus der Hose und warf sie aufs Bett, wo bereits ein Haufen zerknüllter Kleidungsstücke lag. Sie stellte sich wieder vor den Kleiderschrank und sah die Sachen durch, die noch an der Kleiderstange hingen. Alles alt, alles hundertmal getragen, alles doof. Und das meiste wahrscheinlich auch noch zu eng. Frustriert knallte Frauke die Schranktür zu und blickte wieder in den Spiegel.
»Du bist fett. Frauke Jensen, geborene Müller, du bist fett, alt und hässlich.«
Dann brach sie in Tränen aus und warf sich quer auf ihr Mahagoni-Ehebett, inmitten von Hosen, Röcken und Blusen und heulte erst aus Wut, dann aus Selbstmitleid und schließlich, weil sie sich eingeheult hatte. Nach einer halben Stunde war ihre Nase verstopft und sie bekam einen Hustenanfall. Außerdem fror sie. Schwerfällig stand Frauke auf, griff nach ihrem Bademantel und zog ihn über. Sie suchte in dem Kleiderknäuel nach dicken Socken, fand aber nur zwei verschiedene. Es war egal. Ihre Haare waren zerzaust, sie band sie mit einem Gummiband zusammen, putzte sich die Nase, vermied den Blick in den Spiegel und ging nach unten, um sich einen Kaffee zu kochen.
Auf dem Küchentisch lag immer noch der Brief, mit dem das Elend angefangen hatte. Und auch das Fotoalbum.
Als vor drei Wochen der Anruf von dieser Gabi kam, fand Frauke die Idee, alte Freundschaften wiederzubeleben, ganz witzig. Sie hatte den Anruf schon fast vergessen gehabt, bis gestern Gabis Brief gekommen war. Beim Abendessen hatte sie ihn ihrem Mann Gunnar gezeigt. Gunnar konnte sich sogar noch dunkel an Christine erinnern. Sie waren an diesem Abend nur zu dritt. Jule, ihre Älteste, war vor einem halben Jahr ausgezogen, ihr Sohn Max machte gerade Abitur und hatte sich zum Lernen verabredet, nur die Jüngste, Lisa, war zum Essen da.
Nachdem Frauke den Brief und den Fragebogen vorgelesen hatte, fing Gunnar an zu lachen.
»Ach Schätzelchen, das ist ja schon Geschichte. Ihr beide wart damals ganz süß. Weißt du, Lisa, ich habe mich in deine Mutter verknallt, als sie mit ihrer Freundin Christine zusammen in einer Eisdiele saß. Die beiden haben sich ein Eis geteilt, nicht aus Freundschaft, sondern weil sie keine Kohle hatten. Ich war ja schon Lehrling und habe Geld verdient, deshalb habe ich ihnen noch ein Eis bestellt. Und weißt du, was sie gemacht haben?«
Lisa sah ihn erwartungsvoll an. Fünfzehnjährige lieben solche Geschichten.
»Mama und ihre Freundin haben entrüstet abgelehnt.«
Gunnar lächelte. »Nein, als ich den beiden den Eisbecher auf den Tisch stellte, haben sie kurz hochgesehen und dann in Ruhe das gemeinsame Eis weitergelöffelt. Danach haben sie den leeren Becher beiseite geschoben, meinen herangezogen und den auch noch gemeinsam gegessen. Kein Wort des Dankes.«
»Super. Das
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