Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unzertrennlich

Unzertrennlich

Titel: Unzertrennlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
Vom Netzwerk:
FM.Frauke Müller. Sie hatte das Album von ihrer Patentante zur Konfirmation bekommen, damals, als sie noch keine Ehefrau und noch lange keine Mutter war. Damals war sie nur die Freundin von Christine. Bis vor drei Wochen hatte sie nicht an die alten Zeiten gedacht. Bis der Anruf dieser Gabi kam. Und dann heute Morgen die offizielle Einladung mit dem Fragebogen. Und jetzt saß sie hier und hatte ein bisschen Angst, ihrer Tochter die alten Bilder zu zeigen. Sie fand sich albern.
    Sie hörte, wie Lisa das Teewasser in die Kanne goss und Tassen auf ein Tablett stellte. Wenig später kam sie zur Tür herein. Das Tablett balancierte sie mit einer Hand und sah dabei ihre Mutter an.
    »Sag nichts, ich halte das Tablett gerade.«
    Frauke schloss den Mund. Sie war wirklich schon wie ihre Mutter. Sie hustete.
    »Ich wollte gar nichts sagen, vielen Dank fürs Teekochen.«
    Lisa stellte die Tassen auf den Tisch, Milch und Zucker neben die Teekanne.
    »Ach Mama, habe ich doch gerne gemacht, also los, dann zeig mal die alten Schätze.«
    Sie stützte ihre Ellenbogen auf den Tisch und ihr Kinn auf die Hände. Frauke schlug das Album vorsichtig auf. Auf der ersten Seite war ihr Konfirmationsbild. Sie sah darauf sehr kindlich aus, rundes Gesicht, Babyspeck.
    Lisa machte eine ungeduldige Handbewegung. »Mach weiter, das Bild kenne ich, das hängt bei Oma in der Küche. Blätter mal, warte, Gott, wer ist das denn?«
    Das Foto zeigte zwei dreizehnjährige Mädchen, die an einem Baum lehnten, nebeneinander, mit sich zugewandten Gesichtern. Sie trugen rote Hosen und gelbe T-Shirts. Sie schienen den Fotografen nicht zu bemerken, hatten nur Augen für die andere. Lisa lachte auf.
    »Nein, wie kitschig. Bunt ist lustig, schön Rot mit Gelb. Wie furchtbar, wer ist das denn? Das bist doch hoffentlich nicht du?«
    Frauke strich mit dem Daumen über das Bild und lächelte.
    »Doch, mein Schatz, das bin ich, hier die Linke mit den Locken. Rechts mit den kurzen schwarzen Haaren, das ist Christine.«
    Lisa war nicht sonderlich beeindruckt. »Vielleicht ist das auch nur scheiße fotografiert, da seid ihr auch noch Kinder. Guck doch mal weiter.«
    Es kamen immer mehr Erinnerungen, Frauke und Christine waren auf ungefähr zwanzig Bildern abgebildet. Frauke hörte ihrer Tochter nicht mehr zu, sie tauchte in eine Zeit ein, die fast dreißig Jahre zurücklag. Sie beantwortete Lisas Fragen automatisch und ohne groß nachzudenken, ihre Gedanken waren ganz woanders.
    Ihr Sohn Max holte sie in die Realität zurück. Sie hatten ihn beide nicht gehört, er stand plötzlich am Tisch und fragte: »Was ist hier denn los? 
Sentimental journey

    Frauke und Lisa zuckten zusammen, beide sahen ihn an, seine Mutter lächelnd, seine Schwester mit unergründlichem Gesichtsausdruck. Frauke setzte zu einer Antwort an, aber Lisa war schneller.
    »Mama will sich mit einer alten Freundin treffen, deshalb gucken wir uns die alten Bilder an. Mein lieber Mann, ich glaube nicht, dass die sich wiedererkennen, Mama war damals nämlich echt eine Granate. Sie sah total anders aus. Ganz klasse. Du erkennst sie nicht wieder.«
    Frauke fühlte sich geohrfeigt.
    Jetzt, einen Tag später, saß sie wieder vor dem Fotoalbum. Die Kinder waren in der Schule, Gunnar in der Firma. Sie hatte ihm heute Morgen gesagt, dass sie sich nicht gut fühlte. Gunnar hatte ihr die Schulter gestreichelt und gemeint, sie solle sich freinehmen. Er könne auch mal ohne sie auskommen. Frauke hatte sich wieder ins Bett gelegt, dann fingen ihre Gedanken an, um Christines Geburtstag zu kreisen. Und um Lisas Sätze. Ihre Tochter hatte Recht. Sie war dick geworden und hatte schon lange keine richtige Frisur mehr, sie benutzte höchstens mal Wimperntusche und hatte sich seit mindestens sechs Jahren nichts Schickes mehr zum Anziehen gekauft.
    Sie war Mutter, Ehefrau, Haushälterin und Bürohilfe, sie war alles Mögliche, nur nicht mehr Frauke Müller. Und sie hatte es nicht bemerkt.
    Frauke blätterte im Album. Sie suchte das Bild mit dem Baum. Sie betrachtete es lange. Es war nicht nur diese absolute gegenseitige Zuneigung, die sie sah. Es war etwas ganz anderes, was sie an diesem Bild so anrührte. Beide, Christine und sie, hatten damals diese unbändige Lust zu leben. Sie freuten sich auf das Erwachsenwerden, sie wollten reich, berühmt und glücklich werden, tolle Männer heiraten, viele Kinder kriegen, große Reisen machen, schöne Häuser haben. Sie waren sich sicher, alles irgendwann zu bekommen. Wann, das

Weitere Kostenlose Bücher