Unzertrennlich
Kaffee?«
Ruth war erleichtert. »Ja, gerne. Ich wollte eigentlich zu Christine. Macht sie gerade Pause?«
Gabi stellte zwei Tassen auf den Tisch und schenkte Kaffee ein.
»Christine hat sich heute Morgen krankgemeldet, sie ist total erkältet.«
»Das geht im Moment um. In der ›Kult‹-Redaktion sind auch drei Leute ausgefallen.«
Sie setzten sich einander gegenüber und tranken ihren Kaffee. Das Schweigen zwischen ihnen wurde immer länger. Bis Gabi es unterbrach.
»Und? Ist bei dir alles im Lack?« Ihr Tonfall war kühl.
Ruths Gesichtsausdruck wurde unsicher. »Wieso? Aber du siehst nicht gut aus. Ist etwas passiert?«
Das war typisch Ruth. Fragen mit Gegenfragen auszuweichen. Gabi konnte das noch nie leiden. In letzter Zeit häuften sich die Dinge, die sie an ihrer alten Freundin Ruth nicht leiden konnte. Eine Welle der Wut überkam Gabi.
»Ich habe zuerst gefragt, Ruth. Du hast doch dieses spannende Liebesleben, bei dem du weder nach links noch nach rechts guckst. Bei dem du damit beschäftigt bist, alles so zu regeln, dass sich deine beiden Kerle nicht begegnen. Sagst du Karsten eigentlich immer noch, dass du mich tröstest, weil Thomas die Woche über in Frankfurt ist? Dann kannst du ihm jetzt erzählen, dass du mich nun auch am Wochenende ablenken musst, weil Thomas nämlich nur noch in Frankfurt ist. Tut mir Leid, dass ich dir das erst heute erzähle, du hättest sonst schon früher ein Wochenendalibi gehabt. Ich hatte leider vorher keine Gelegenheit.«
Ruth war blass geworden. Ihre Freundin hatte sich getrennt und sie hatte keine Ahnung. Sie war beschämt, fand diesen Wutausbruch aber ungerecht.
»Wann war das denn?«
»Ende Juli. Aber das interessiert dich doch nicht wirklich.«
Ruth fuhr sich mit den Händen durch die Haare. Gabi starrte aus dem Fenster. Ihre Haltung wirkte verkrampft.
»Gabi, ich weiß nicht so richtig, was ich sagen soll, das kommt alles so überraschend. Ich weiß, dass ich im Moment sehr mit mir selbst beschäftigt bin. Das soll keine Entschuldigung sein, aber es ist nicht leicht für mich. Die Beziehung mit Karsten, die keine richtige Beziehung mehr ist, dann die Gefühle für Markus, der jetzt plötzlich Druck macht, ich weiß selbst nicht mehr, was ich eigentlich will.« Ihre Stimme wurde heiser, Gabi schwieg, ohne ihre Haltung zu verändern.
»Du bist sauer, dass ich deine Probleme nicht mitbekommen habe, aber du hättest auch mal was sagen können. Meine Güte, ich kann doch nicht alles erahnen. Du kommst doch nie von selbst an, alles muss man dir aus der Nase ziehen.«
Gabi drehte sich abrupt zu ihr um und sah Ruth kopfschüttelnd an.
»Ruth, du merkst wirklich nichts. Wir sind seit Jahren befreundet, gerade weil ich dir nie mit meinen Problemen gekommen bin. Du brauchst Freundinnen, die dir erzählen, wie großartig du bist. Du bist so lange mitfühlend und hilfsbereit, wie du das mit deinem Kram verbinden kannst. Wenn es dich keine große Mühe kostet, aber nach Heldentat aussieht. Dann läufst du zur Hochform auf.«
Ruth hatte auf einmal Tränen in den Augen. Sie sah so entsetzt aus, dass sie Gabi fast Leid tat.
»Gabi, ich verstehe das nicht. Ich komme ahnungslos bei dir vorbei und du überfällst mich mit einer Generalabrechnung. Was soll ich denn machen?«
Sie weinte. Gabi setzte sich neben sie. Es war der falsche Ort und die falsche Zeit für ein solches Gespräch. Sie bereute, es angefangen zu haben. Seit sie gestern Abend erfahren hatte, dass Thomas eine Freundin hatte, hatte sie eine solche Wut auf die Welt und auf alle Frauen, dass Ruths Anblick gereicht hatte, bei ihr alle Sicherungen durchbrennen zu lassen. Aber sie hätte nicht im Büro explodieren dürfen. Sie reichte Ruth ein Taschentuch.
»Hier, komm, tut mir leid, unser Gespräch ist aus dem Ruder gelaufen. Ich wollte dich nicht fertigmachen.«
»Hast du aber.« Ruth putzte sich die Nase.
Gabi wartete, bis Ruth ihren Blick erwiderte. Ruths Wimperntusche war völlig verlaufen.
»Ach Ruth, wir müssen wirklich mal über uns reden, in Ruhe und nicht im Büro. Ich bin nicht gut drauf und du hast jetzt Wut abgekriegt, für die du gar nichts kannst. Tut mir leid.«
Ruth wischte sich mit dem kleinen Finger die Wimperntusche unter dem Auge weg und räusperte sich.
»Das geht so nicht, finde ich. Man kann nicht ewig sammeln und dem anderen dann alles auf einmal um die Ohren hauen. Weißt du, wir suchen alte Freundinnen von Christine, weil wir damals an der Alster ein großes Plädoyer für
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