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angezogen. Dann hab ich die Motorhaube geöffnet, auf gut Glück am Motor herumgefummelt, die leicht austauschbaren Teile rausgeholt und wieder eingesetzt. Der Wagen war schließlich neuer als neu, nicht? Wie konnte er schon am Arsch sein?
Alle Studenten haben mich umringt, um mir weise Ratschläge zu erteilen, und ich hab mächtig rum-gezickt, du weißt schon: ›Solche Kisten reparier ich, seit ich zehn bin, also verpisst euch‹, so in der Art.
Das hat ihnen gefallen. Ich ging wirklich beherzt zur Sache. Ein paar von den Jungs sahen sogar ganz süß aus, und ich genoss ihre volle Aufmerksamkeit. Ich fühlte mich sicher – es waren jede Menge Leute in der Nähe, deshalb konnte ich davon aus-103
gehen, dass die Jungs sich bestimmt nichts bei mir rausnehmen würden. Nur bin ich wegen des Wagens irgendwann völlig ausgerastet – er ließ sich wirklich nicht mehr starten. Ich hatte alles wieder eingebaut, jedes Teil getestet, zweimal nach dem Benzin gesehen. Nichts, nichts, nichts! Ich wusste, mir würde nichts anderes übrig bleiben, als einen Abschleppwagen zu rufen. Meine Mutter würde mich umbringen! Ich versuche also, mir nichts anmerken zu lassen und ganz cool zu bleiben, aber das gelingt mir nicht besonders gut. Inzwischen sind mir die Studenten nämlich allzu nah auf den Leib gerückt, und sie riechen nach Bier. Jetzt verzichte ich darauf, die Forsche zu spielen, will nur verhindern, dass sie mir auf die Pelle rücken, aber sie hauen nicht ab. Ich muss mich bemühen, nicht zu heulen. Und dann tauchen die Bullen auf. Keine richtigen Bullen, sondern Sonys Fahrzeugber-gungstrupp. Alle in Vaio-Montur, gestylt wie eine Pepsi-Reklame, ausgerüstet mit semiletalen Waffen und Aerosolsprühern, die mit silbrigem Halt’s-Maul-und-rühr-dich-nicht-Saft geladen sind, fest entschlossen, sich die böse, böse Diebin zu krallen, die diesen schönen Veddic der Serie 7 von Mamas Parkplatz entführt hat. Dieser Service ist Teil des Franchise-Pakets. Ich brauche einen Moment, bis ich es begreife – Mama weiß ja nicht, dass ich den Wagen entführt hab, deshalb hat sie einen Dieb-stahl gemeldet, und – zack – will man mich fest-104
nehmen. Die Studentensäcke versuchen sich zu verpissen, was keine gute Idee ist. Vor Bullen darf man nie weglaufen, aber diese Studenten sind nun mal saublöd. Schließlich endet es damit, dass sie sich kreischend auf dem Boden herumwälzen und am liebsten die Gesichter herunterreißen würden.
Es dauert etwa eine Sekunde, bis ich die Hände he-be und ›nicht schießen!‹ brülle, aber sie verpassen mir trotzdem eine Ladung Reizgas. Und dann wäl-ze ich mich selbst auf dem Boden herum und habe ein Gefühl im Kopf, als würden meine Neben-höhlen gleich explodieren und meine Augäpfel schmelzen. Meine Lungen sind zu Rosinen ge-schrumpft, jedenfalls kommt’s mir so vor. Schreien kann ich nicht, ich kann ja nicht mal atmen. Als ich mich endlich herumwälzen und die Augen wieder öffnen kann, haben sie mich an Händen und Füßen mit Plastikriemen gefesselt und die Dinger so eng zusammengezogen, dass sie mir wie Kla-viersaiten ins Fleisch schneiden. Zwar bin ich eine coole Fünfzehnjährige, aber so cool nun auch wieder nicht. Schon geht’s los mit dem Geheul, bähähäää , ich kann einfach nicht mehr aufhören, kann nicht mal mehr wütend werden, will nur noch sterben. Die Sony-Bullen erleben so was dauernd, also breiten sie einfach eine Plane über den Rücksitz des Veddic, werfen mich drauf, rollen den Wagen auf ihren Abschleppwagen und fahren mich zur nächsten Polizeiwache.
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Na ja, ehe wir ankommen, kotze ich zweimal die Plane voll und auf dem Weg zur Erfassungs-stelle fehlt nicht viel zum dritten Mal. Die Übelkeit steigt mir bis in die Kehle hoch und sogar in die Stirnhöhlen. Ich muss die ganze Zeit würgen und kann die Tränen nicht unterdrücken, aber mittlerweile bin ich wirklich sauer. Schließlich bin ich mit dem ganzen Sony-Gedöns aufgewachsen, mit dem Slogan Ein Wagen für Leute wie uns , hab Mama zu ihren Motivationsseminaren begleitet, die kurzen T-Shirts und abwaschbaren Tattoos getragen und unentschlossenen Käufern Vorträge über die Vorzüge der Sony-Familie gehalten, wenn Mama beschäftigt war. Das hier hat nichts mit der Sony-Familie zu tun, die ich kenne. Während ich gefesselt auf dem Fußboden neben dem Schreibtisch des Polizeibeamten am Empfang hocke, füllt ein Sony-Bulle den Papierkram aus. Ich nutze die Gelegenheit, den Dreck auszuspucken, höre mit
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