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Titel: Upload Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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eine süße Fünfzehnjährige, und das wusste ich auch. Nach den Erfahrungen mit den gar-stigen Sony-Bullen kam mir die Erfassung durch die Strafverfolgungsbehörden milde und harmlos vor. Dass man mich inhaftieren wollte, begriff ich erst, als mein lieber Freund, der Polizist, mich auf-forderte, die Taschen auszuleeren, und mich in eine 109
    Zelle steckte. ›Moment mal!‹, rufe ich. ›Wachtmeister Lorenzi, warten Sie! Müssen Sie mich denn wirklich in eine Zelle stecken? Wachtmeister Lorenzi! Man muss mich doch nicht einsperren! Lassen Sie mich meine Mutter anrufen. Sie wird sofort kommen und die Anzeige fallen lassen. Und bis dahin kann ich doch da drinnen warten und Ihnen helfen. Ich kann Kaffee für Sie holen, Wachtmeister Lorenzi!‹ Kurz sieht’s so aus, als ließe er sich nicht erweichen, doch dann gibt er nach und ich verbringe die nächsten zwei Stunden damit, Sachen für ihn zu holen und Akten ein-zusortieren. Während wir auf Mama warten, darf ich sogar nach draußen und ihm Kaffee besorgen, so sehr vertraut er mir. Als sie endlich auftaucht, geht’s mir wieder ganz gut, aber das hält natürlich nicht lange an. Wie die Cartoon-Figur Yosemite Sam kommt sie ins Zimmer gestürmt, schäumt vor Wut und lechzt nach meinem Blut. Um mir eine Lektion zu erteilen, will sie sogar Strafanzeige erstatten und mich einsperren lassen. Es interessiert sie gar nicht, dass die Sony-Bullen mich mit Reizgas eingenebelt und gefesselt haben. Ihr geht’s nur darum, dass ich sie hintergangen habe, und dafür gibt’s in ihren Augen keine Entschuldigung. Ständig fährt sie den Wachtmeister an, er soll ihr endlich die Formulare geben, damit sie Strafanzeige erstatten kann. Doch er wartet ungerührt, bis sie Dampf abgelassen hat. ›Na schön, 110
    Mrs. Walachuck‹, sagt er schließlich. ›Ganz wie Sie wollen. Sie erstatten Strafanzeige, und wir halten ihre Tochter über Nacht fest. Bis zur Kautionsan-hörung morgen früh. Aber Sie sollten wissen, dass wir nur eine einzige Haftzelle für Frauen haben.
    Das ist kein Kindergarten. Wir haben da ziemlich harte Typen eingesperrt. Im Moment sitzen dort zwei Bioterroristinnen ein, die an einem Busbahn-hof Anthrax freisetzen wollten; außerdem ein Mädchen, das seinen Stecher umgebracht und dessen Weichteile an die Tür des Hotelzimmers genagelt hat, bevor es abgehauen ist; die anderen sind hartgesottene alte Säuferinnen. Wer weiß, was heute noch eingeliefert wird. Wir nehmen ihnen zwar die Messer, Stiefel und Geldbeutel ab, aber diese Mädels mischen gern frische junge Dinger auf und malträtieren sie mit Hilfe der Gitter-stäbe oder auch mit ihren Fingernägeln. Wir können sie nun mal nicht die ganze Zeit im Auge behalten.‹ Während er sich über den Schreibtisch zu meiner Mutter beugt, die nur kalt und stumm dasitzt, stößt er mit seinem Fuß gegen meinen.
    Und da weiß ich, dass er ihr Märchen erzählt, um ihr die Pistole auf die Brust zu setzen. ›Aber wenn Sie es so wollen, Madam …‹ Mama sieht ihn so an, als wollte sie ihn zwingen, Farbe zu bekennen, aber er wirkt so überzeugend, dass sie schließlich nachgibt. ›Nein, will ich nicht‹, erwidert sie. ›Ich nehme sie mit nach Hause und kläre die Sache 111
    dort mit ihr.‹ – ›Das ist wirklich sehr vernünftig‹, sagt er. ›Und du, Linda, ruf mich an, falls du Sony anzeigen willst. Uns liegen die Aufnahmen von den Sicherheitskameras an der Strandpromenade und im Wachgebäude vor, falls du sie brauchen solltest. Außerdem habe ich mir die Dienstnummer von diesem Typen notiert.‹ Als meine Mutter mich erschrocken ansieht, strecke ich ihr meine wunden, blutunterlaufenen Handgelenke hin. ›Die haben mit einer Gaspistole auf mich geschossen, bevor sie mich in den Wagen geworfen haben.‹ –
    ›Bist du etwa weggelaufen? Man sollte niemals vor Polizisten davonlaufen, Linda, das müsstest du doch wissen …‹ – ›Ich bin nicht weggelaufen. Ich hab die Hände gehoben, aber sie haben mich trotzdem mit Reizgas beschossen, gefesselt und in den Wagen geworfen.‹ – ›Das kann nicht sein, Linda. Du musst doch irgendetwas gemacht haben …‹
    Wenn ich als Jugendliche irgendwelchen Ärger hatte, war meine Mutter nämlich stets davon überzeugt, dass ich ihn mir selbst eingehandelt hatte. Sie war die Einzige, die es nicht kümmerte, wie niedlich ich war. ›Nein, Mama. Ich hab die Hände gehoben und mich ergeben, aber sie haben mich trotzdem beschossen. Es war ihnen egal. Auf dem Film ist das bestimmt zu

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