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lassen.
»Sie behandeln mich so, als wäre ich drogen-abhängig, wie?«, fragte ich den Arzt, der an seltsame Gedankensprünge offenbar gewöhnt war, wie seine Reaktion zeigte.
»Ja, könnte man so sagen.« Er rutschte auf dem harten Stuhl an meinem Bett hin und her und machte Anstalten zu gehen.
»Nein, wirklich, das ist nicht bloß Gerede. Es ist doch so: Ich persönlich glaube nicht, dass ich ein Problem habe, denn ich halte meine Lebensweise für völlig normal und ungefährlich. Wie jemand, 140
der ständig auf Speed ist und meint, dass er sich prächtig amüsiert, superproduktiv und allen anderen voraus ist. Dagegen sind dessen Freunde fest davon überzeugt, dass er sich selbst kaputtmacht – sie sehen die Gefahr, in die er sich begibt, sie sehen, dass sich sein Gesundheitszustand ver-schlechtert. Und deshalb stecken sie ihn, auch wenn er sich mit Händen und Füßen dagegen wehrt, in eine Entzugsklinik, wo er so lange bleibt, bis er Einsicht zeigt. Nur bin ich nicht süchtig nach Speed, sondern danach, mich verrückt aufzuführen. Ich sehe die Welt ringsum aus irrationaler Perspektive, aus einer verzerrten Perspektive. Und Sie sollen als objektiver Beobachter fungieren, Doktor. Sollen sich Notizen machen und herausfinden, ob ich die Dinge angemessen oder durch den Nebel der Verrücktheit sehe.
Solange ich weiter meine Drogen nehme – soll heißen: meine Verrücktheiten auslebe –, behalten Sie mich hier. Sobald ich damit aufhöre, sobald ich die objektive Wahrheit der Realität akzeptiere, lassen Sie mich gehen. Und was dann? Bin ich dann ein Irrer auf dem Weg der Besserung? Soll ich mein Leben lang Wache schieben, damit der Sirenengesang des Wahnsinns mich nicht verführt?«
Der Arzt fuhr sich mit den Händen durchs lange Haar und wackelte mit den Knien. »Ich nehme an, so könnte man es ausdrücken.«
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»Dann sagen Sie mir, was der nächste Schritt ist. Wie kann ich am besten und am überzeugends-ten beweisen, dass ich meine Weltanschauung geändert und meinen Überzeugungen abgeschwo-ren habe?«
»Nun, an dieser Stelle hinkt der Vergleich. Es geht hier nicht um etwas, das eindeutig nachzu-weisen ist. Bei unserer Diagnose beschränken wir uns nicht auf einen einzelnen Aspekt, sondern betrachten eine Vielzahl von Aspekten. Es gibt eine genau festgelegte medizinische Verfahrensweise für Ihre Beurteilung. Und unsere Beurteilung erfolgt auch nicht über Nacht. Sie wurden hier zwangseingeliefert, weil es Beweise dafür gibt, dass Sie Ihre Kollegen bedroht haben. Und zwar deshalb, weil Sie glaubten, diese Kollegen wollten Ihnen ans Leder.«
»Interessant. Können wir ein kleines Gedanken-experiment durchführen, Doktor? Angenommen, es gibt Kollegen, die Ihnen tatsächlich schaden wollen – so etwas ist ja zweifellos schon vorgekommen, nicht wahr? Diese Kollegen versuchen, Ihnen bei der Arbeit Knüppel zwischen die Beine zu werfen, weil Sie die Leute bei einem schrecklichen Verrat ertappt haben, und möchten Sie zum Schweigen bringen. Deshalb provozieren sie eine Reaktion von Ihnen und benutzen Ihr Verhalten als Vorwand für eine Zwangseinweisung in die Psychiatrie. Wie würden Sie als professioneller 142
Mediziner ein solches Szenario von einem anderen unterscheiden können, in dem der Patient tatsächlich paranoid ist und Wahnvorstellungen hat?«
Der Doktor wandte den Blick ab. »Durch unsere wissenschaftliche Verfahrensweise bekommen wir es heraus.«
»Verstehe.« Jetzt holte ich zum entscheidenden Schlag aus. »Ich verstehe. Wo kann ich nähere Informationen über diese wissenschaftliche Verfahrensweise einholen? Ich würde mich vor meiner Anhörung gern etwas eingehender damit befassen.«
»Tut mir leid, aber wir gewähren unseren Patienten keinen Einblick in medizinische Lehr-bücher.«
»Warum nicht? Wie soll ich mich gegen einen Vorwurf verteidigen, wenn ich nicht weiß, nach welchen Maßstäben meine Verteidigung bewertet wird? Das finde ich wirklich nicht fair.«
Der Arzt stand auf, strich seinen Mantel glatt und drehte seine Dienstmarke so herum, dass das Foto nach außen zeigte. »Art, Sie sind nicht hier, um sich zu verteidigen. Sie sind hier, damit wir Sie uns ansehen und herausfinden können, was los ist. Falls Ihnen irgendjemand eine Falle gestellt hat, werden wir es schon merken …«
»Wie ist Ihrer Erfahrung nach das prozentuale Verhältnis zwischen echten Paranoikern und Leuten, die hereingelegt worden sind?«
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»Über solche Dinge führe ich keine Statistiken
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