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einverstanden?«
»Danke«, sagte ich.
Während ich in der fest verschlossenen ausge-polsterten Kabine im abgetrennten hinteren Teil ihres Transporters lag, fuhren wir die Route 128
entlang. Sie hatten mich festgeschnallt – nicht nur an den Hüften, sondern auch an den Schultern, die in ebenfalls gepolsterten Sicherheitsgurten steckten, was mich an die Sicherungen in einem Achterbahnwagen erinnerte. Wir kamen nur langsam voran, mussten in regelmäßigen Abständen ruckartig bremsen und ständig die Spuren wechseln. Auf der 128 herrschte das typische Verkehrs-chaos.
Der Arzt an der Aufnahme scannte mich auf verbotene Substanzen oder Gegenstände, ent-nahm mir die üblichen Körperflüssigkeiten und plauderte zwischendurch nett mit mir. Ich hatte nur dieses eine Mal mit ihm zu tun. Ehe ich wusste, wie mir geschah, packte mich ein bulliger Krankenpfleger am Arm und führte mich in mein Zim-137
mer. Er hatte einen stark ausgeprägten osteuropäischen Akzent und erklärte mir in abgehacktem Englisch die Hausordnung, während ich mich um Konzentration bemühte und versuchte, nicht an die glupschäugigen Patienten zu denken, die ich unterwegs gesehen hatte. Es gelang mir so weit, dass ich den Zusammenhang zwischen meiner Fußmanschette, dem Türrahmen und den Aufzü-
gen begriff. Gleich darauf griff der Krankenpfleger in seine Kitteltasche und holte eine Injektionspistole hervor. »Zum Einschlafen«, sagte er.
Jetzt konnte ich nicht mehr anders, als der Panik, die ich seit meiner Einlieferung unterdrückt hatte, Luft zu machen. »Warten Sie! Was ist mit meinen Sachen? Ich hatte eine Tasche dabei.«
»Du morgen früh Arzt fragen.« Er machte sich an der Pistole zu schaffen, setzte eine Nadel- und Wirkstoff-Kartusche ein und entfernte mit einem Daumenschalter die sterile Verpackung. »Jetzt aber erst schlafen.« Er kam auf mich zu.
Ich hatte mir eingeredet, dieser Zwangsaufent-halt sei vielleicht eine Möglichkeit, mich endlich mal auszuruhen, zu entspannen und innerlich zu sammeln. Sicher würde ich die Sache mit den Ärzten klären können und bald wieder draußen sein.
Ich hatte so viele Argumente auf meiner Seite, dass sie mich zweifellos ziehen lassen würden.
Aber hier kam diese Comic-Figur, die mich an Bo-ris Badenov erinnerte, mit der magischen Spritze, 138
und schon setzte mein Verstand aus. Ich krabbelte über das Bett und drückte mich ans Fenster.
»Es ist noch nicht mal drei«, protestierte ich, auch wenn ich die Uhrzeit in Ermangelung meines Komset nur schätzen konnte. »Ich bin nicht müde.
Ich lege mich schlafen, wenn ich müde bin.«
»Ist nur Schlafmittel«, sagte er in einem Ton, der wohl beruhigend klingen sollte.
»Nein, nicht nötig. Ich bin schon müde. War gestern eine lange Nacht. Ich leg mich jetzt einfach hin und mach ein Nickerchen, einverstanden? Es geht auch ohne Spritze, ja?«
Als er mich am Handgelenk packte, versuchte ich mich loszureißen, mich ihm zu entwinden.
Beim Tai-Chi lernt man eine Menge guter, altmodischer, schmutziger Kampftechniken – Augen-quetschen, Schläge in die Weichteile, Methoden, um die Hände freizubekommen oder dem Gegner die Hände so schmerzhaft zu verbiegen, dass er einem wie ein Hündchen an der Leine folgt –, aber mir fiel keine ein. Ich zappelte wie ein Fisch am Haken, als er mir die Injektionspistole über die Armbeuge schob, bis die LED des Aderdetektors aufleuchtete. Im selben Moment drückte er zu und ich spürte einen Stich. Einen Moment lang glaubte ich, die Injektion sei in meinem Fall wirkungs-los, denn im Laufe meines Stammeslebens habe ich so viele Schlafmittel geschluckt, dass ich gegen die meisten Varianten ziemlich resistent bin. Doch 139
dann spürte ich die typische Schwere der Augenlider und den Melatonin-Schub, die den gnaden-losen Ansturm von Müdigkeit signalisieren. Ich sackte auf dem Bett zusammen.
Am nächsten Tag war ich immer noch völlig zugedröhnt. Im Laufe der Jahre hatte ich zwar gelernt, auch in benommenem Zustand zu funktionieren, aber diese Situation war anders. Beispielsweise musste ich ohne Koffein auskommen. Sie fütterten mich und danach besuchte mich ein netter Arzt, der mir meine Lage erklärte. Ich sei zur Beobachtung hier, sagte er. In einer Woche werde man bei einer Anhörung über meine Zurechnungsfähigkeit befinden. Ich hätte sieben Tage, um zu beweisen, dass ich weder für mich noch für andere eine Gefahr darstelle. Sollte dieser Beweis überzeugend ausfallen, werde der Richter mich ziehen
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