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Urangst

Urangst

Titel: Urangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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der den Stahl erahnen lässt, der sich hinter ihrer weichen Stimme verbirgt, ruft sie ihre Tochter
bei dem einzigen Namen, den sie ihr jemals gegeben hat: »Piggy, es ist Essenszeit.«
    Widerstrebend legt das Kind die Puppe sowie Nadel und Faden zur Seite und zieht das Tablett vor sich.
    Zum ersten Mal, seit sie das Zimmer betreten haben, sieht Moongirl Harrow an. In ihrem grünen Blick liegt etwas intensiver Empfundenes als reiner Triumph, etwas Beißenderes als grimmige Schadenfreude, eine viel kältere Befriedigung als alles, was Harrow jemals in anderen Augen gesehen hat.
    Vielleicht ist das genau der Blick, den sie ihm in vollkommener Dunkelheit schenkt, wenn sie nackt ist und ihn reitet.
    Er sieht ihr fest in die Augen und ist zuversichtlich, dass sie ihm keine innere Haltung ansehen wird, die sie verärgern oder kränken könnte.
    Tugend und Laster sind leere Worte. Seine wohlüberlegte Philosophie hat ihn dazu gebracht, solchen Worten jede Macht über ihn zu verweigern; ihre Form des Wahnsinns hat sie zur selben Ablehnung sämtlicher Werte geführt, denn im Chaos des Daseins ist die Verrücktheit ein legitimer Pfad zur Erleuchtung.
    Handlungen werden entweder vorgenommen oder nicht vorgenommen, Folgen entweder getragen oder nicht getragen, und in nichts von alledem lässt sich ein Sinn ausmachen.
    Moongirl hatte ihn des Mitleids bezichtigt.
    Aber er bemitleidet das Kind nicht. Ihn faszinieren lediglich seine Ausdauer und die Mittel, die es einsetzt, um sein Leid zu ertragen.
    Piggy nimmt die obere Brotscheibe von ihrem Sandwich und legt sie daneben. Sie untersucht beide Seiten des Salatblatts und legt es auf das Brot.

    Lächelnd hebt Moongirl die Puppe vom Boden auf, die sie dort hingelegt hat, bevor sie sich auf den Stuhl neben dem Schreibtisch gesetzt hat.
    Piggy unterzieht mit ernster Miene die Tomatenscheiben, den Schinken, den Käse und die untere Brotscheibe einer genauen Untersuchung, nimmt ihr Sandwich vollständig auseinander und setzt es in umgekehrter Richtung wieder zusammen.
    Manchmal enthält ein Sandwich das Unerwartete. Einen rostigen Nagel, der sich ins Zahnfleisch bohrt. Einen lebendigen Wurm. Eine tote Kakerlake.
    Das Kind weiß nicht, dass Harrow diese Köstlichkeit zubereitet hat. Es muss davon ausgehen, dass seine Mutter das Sandwich belegt hat.
    Da sie nichts Gesundheitsschädliches darin findet, nimmt Piggy ihr Sandwich in beide Hände und beißt hinein.
    Moongirl tut so, als hätte sie nicht das geringste Interesse an der Mahlzeit ihrer Tochter; sie untersucht die Puppe in dem hübschen Kleidchen, die sie vom Boden aufgehoben hat.
    Trotz ihrer intellektuellen Beschränkungen ist Piggy auf einer anspruchslosen Ebene eine erfolgreiche Autodidaktin. Sie besitzt eine gewisse künstlerische Begabung und hat sich sowohl das Zeichnen beigebracht als auch die Gestaltung optisch verblüffender Collagen aus Bildern, die sie aus Zeitschriften herausschneidet.
    Zu den Fertigkeiten, die sie sich selbst angeeignet hat, zählen auch das Nähen und das Sticken. Als sie hier eingezogen sind, hat Piggy einen bestens bestückten Nähkasten und Hunderte von Garnrollen gefunden, alles von den Vorbesitzern zurückgelassen. Durch sorgfältiges Ausprobieren und noch etwas anderes, wovon Harrow vermutet, man könnte es die Intuition der Einfältigen nennen, hat sie
diese Geschicklichkeit erworben, mit der sie die einsamen Stunden ausfüllt.
    Aus dem Handwerkszeug einer Näherin, das auf dem Schreibtisch verstreut liegt, wählt Moongirl jetzt eine kleine Schere, deren schmale Schneiden spitz zulaufen. Sie benutzt sie, um an der fertigen Stickerei auf dem Kleid der Puppe herumzuschnipseln. Sie trennt die Stiche auf beiden Seiten des Stoffs auf und hat schon bald einen kleinen Haufen bunter Fäden vor sich liegen, die sie aus dem Kleidungsstück herausgezogen hat.
    Piggy ist so klug, sich zu dieser Zerstörung ihres Werks nicht zu äußern. Sie lässt durch kein Anzeichen erkennen, dass sie auch nur wahrnimmt, was ihre Mutter tut.
    »Schmeckt dir das Sandwich?«, fragt Moongirl.
    »Gut«, sagt Piggy.
    Wenn Moongirl tatsächlich vorhat, ihre Tochter morgen Nacht in Brand zu stecken, dann ist dies eine ihrer letzten Gelegenheiten, das Kind zu foltern. Sie wird die Chance nicht ungenutzt verstreichen lassen.
    »Iss etwas von dem Kartoffelsalat«, sagt sie.
    Piggy gibt einen wortlosen Laut der Zustimmung von sich, aber statt den Deckel des Bechers zu öffnen, beißt sie wieder in das Sandwich.
    Wenn man all die

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