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Urangst

Urangst

Titel: Urangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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unternahmen.
    »Bei denen warst du die reinste Plaudertasche«, sagt er.
    Ein Reiseführer hatte Karen und Ron zu dieser abgelegenen pittoresken Bucht geführt. Sie hatten Wanderstöcke aus Walnussholz und eine kostspielige Ausrüstung gehabt, sahen so richtig frisch und gut aus und liebten die Natur.
    Sie sagt: »Frauen behandeln mich immer so kühl.«
    »Weil ihre Männer so heiß auf dich sind.«
    Moongirl hatte es nicht dabei belassen, die Schleusentore des Charmes zu öffnen. Sie hatte sich als diskrete, unaufdringliche Lesbe ausgegeben und subtil, aber wiederholt Karen angemacht.
    »Das arme Mädchen war ganz durcheinander.«
    »Aber sie hat sich auch geschmeichelt gefühlt«, sagt Harrow. »Sie war nicht so veranlagt, aber es hat ihr geschmeichelt, dass du sie wolltest – und gleichzeitig war sie erleichtert, dass du Ron nicht wolltest. Du hast sie entwaffnet. «
    »Wir waren prima Kumpel, ich und Karen.«
    Das Paar hatte gefragt, ob sie ihr Lager für die Nacht am Strand aufschlagen dürften, und sie hatten zu viert bei Laternenlicht ein Picknick am Meer veranstaltet.
    Karen und Ron war nicht aufgefallen, dass ihr Dessertwein und der ihrer Gastgeber aus verschiedenen Flaschen eingeschenkt wurden.
    Später waren sie im Licht der teilnahmslosen Sterne und des eisigen Mondes von unerträglichen Schmerzen geweckt
worden, beobachtet von der Sirene silbernen Lichts und den Augen ihrer Gastgeberin, die so grün wie ein Polarmeer waren.
    »Ron war langweilig«, sagt sie.
    »Er hat so schnell klein beigegeben.«
    Harrow nimmt nur dann an solchen Zeremonien teil, wenn sie ihn auffordert, ihr zu assistieren. Ansonsten fühlt er sich immer bestens unterhalten und vollauf beschäftigt, wenn er einfach nur zusieht.
    Sie sagt: »Karen war interessant.«
    »Eine beachtliche Grillparty«, stimmt Harrow ihr zu.
    Vor seinem inneren Auge sieht er Moongirl in jener Nacht, wie eine aztekische Göttin, die dargebotene Opfer huldvoll annimmt.
    »Karen wollte die Hoffnung nicht aufgeben«, sagt sie.
    »Aber am Ende hat sie es doch getan.«
    »Bis zum Ende war es ein langer Weg.«
    Moongirl trinkt ohne jede Vorsicht Wein. Sie fürchtet sich nicht vor Harrow. Außerdem sind, wie er bereits gesehen hat, ihre Sinne selbst dann, wenn sie berauscht ist, hellwach und ihre Reflexe blitzschnell.
    »Warum haben sie Hoffnung?«, fragt sie.
    »Nicht alle haben Hoffnung.«
    »Aber diejenigen, die sie haben – warum?«
    »Sie haben nichts anderes.«
    »Aber Hoffnung ist eine Lüge«, sagt sie.
    Als sie die Kerzen anschaut, schlagen die Flammen in den rot getönten Votivgläsern hoch, und sie lächelt.
    Er hat sie das schon öfter tun sehen, und er hat sie gefragt, wie sie über die Flammen gebietet, aber sie antwortet ihm nie.
    Jetzt hebt sie den Blick von den Kerzen zu Harrow und sagt: »Mit Hoffnung belügt man sich selbst.«

    »Die meisten Menschen überleben nur durch Selbstbetrug. «
    »Sie haben nichts.«
    »Jeder hat nichts.«
    »Oh, doch, wir haben etwas. Wir haben sie, alle miteinander. «
    Sie sieht die Kerzen wieder an und lächelt und schon schlingen sich Flammenbänder umeinander, entwirren sich und kehren wieder näher zu den Dochten zurück.
    Harrow glaubt, dass sie den Trick mit ihrer Atmung bewerkstelligt, aber er hat nie gesehen, dass sich ihre Nasenflügel weiten oder ihre Lippen sich einen Spalt öffnen und sie verraten.
    »Eines ist keine Lüge«, sagt er. »Macht.«
    »Brian belügt sich in diesem Moment selbst«, sagt sie.
    »Da bin ich mir ganz sicher. Die Welt bringt dir immer Reisig zum Anzünden, wenn du es brauchst.«

41
    Während er fuhr, drückte sich Billy Pilgrim einen Tirolerhut aus grünem Filz mit weicher Krempe und einer kleinen roten und goldenen Feder im Hutband auf den Kopf und steckte eine falsche Goldkrone auf seine zwei oberen Schneidezähne.
    Nachdem er die gesuchte Adresse gefunden und am Randstein geparkt hatte, setzte er noch eine Hornbrille mit dicken Gläsern aus Fensterglas auf.
    Da mittlerweile die meisten Handys auch Kameras waren, konnte man nie wissen, ob man nicht von irgendeinem aufdringlichen Passanten direkt vor oder gleich nach einer verbrecherischen Tat auf einem Schnappschuss festgehalten wurde. Die Digitaltechnologie hatte zu einer Einschränkung der Privatsphäre geführt, die er fürchterlich fand.
    Billy hielt sich nicht für einen meisterlichen Verkleidungskünstler, aber die Grundlagen der Verschleierung und der Tarnung waren ihm bekannt. Nur eine simple Maskerade war

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