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Urban Gothic (German Edition)

Urban Gothic (German Edition)

Titel: Urban Gothic (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
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rechte Seite, Markus und Dookie um die linke. Perry und Leo beobachteten, wie sie um die Ecken verschwanden. Aus ihrer Perspektive sah es so aus, als ob die Schatten die vier Jungen einfach verschluckten. Perry wurde das Gefühl nicht los, dass sie beobachtet wurden. Er beschloss, es Leo gegenüber nicht zu erwähnen. Die Kids waren so schon beunruhigt genug. Es hatte keinen Sinn, ihnen noch mehr Stress zu bereiten.
    »Was, glauben Sie, finden wir da drin, Mr. Watkins?«
    Perry musterte Leo einen Moment, bevor er antwortete. Aus den Augen des Jungen sprach eine klare, wissbegierige Intelligenz, die Perry bisher noch nie bemerkt hatte. Plötzlich fühlte er sich schuldig. Seine Ohren brannten vor Scham. Im Verlauf der Jahre hatte er viele Male das Schlimmste von Leo und seinen Freunden angenommen, und warum? Klar, hin und wieder trieben sie Unfug, aber welcher Junge tat das nicht irgendwann im Leben? Nein, in Wirklichkeit hatte er all die Jahre keinen triftigen Grund gehabt, die Jugendlichen zu verdächtigen oder über sie herzuziehen, wie ihm nun klar wurde. Es waren anständige Jungs, vor allem Leo. Sie verkörperten die Zukunft, und vielleicht würde die Zukunft doch nicht so trostlos, wie Perry immer vermutet hatte. Vielleicht konnten sie etwas auf der Welt bewirken – vorausgesetzt, sie schafften es lebend aus diesem Viertel hinaus.
    »Ich weiß nicht, Leo. Ich hab keine Ahnung, was wir da drin finden. Aber ich möchte, dass du mir etwas versprichst.«
    »Und was?«
    »Du musst mir versprechen, dass du hinter mir bleibst und wegrennst und es mir überlässt, falls etwas passiert.«
    »Scheiße. Ich bin doch kein Pisser. Ich kann mich schon wehren, Mr. Watkins.«
    »Das weiß ich. Und deshalb ist es für mich so wichtig, dass du tust, was ich sage. Also versprichʼs mir, in Ordnung?«
    Leo zuckte mit den Schultern. »Na schön, versprochen.«
    Perry lächelte und betrachtete den Teenager mit einem unverhofften Anflug von gewaltigem Stolz. Das Gefühl, beobachtet zu werden, hatte sich gelegt. Leo trat verlegen auf der Stelle und fühlte sich unter Perrys eindringlichem Blick sichtlich unwohl.
    »Äh, nichts für ungut, Mr. Watkins, aber ich glaube, ich hab Sie mürrisch lieber gemocht. Wissen Sie, ich hab nicht viel für diese rührselige Oprah-Scheiße übrig.«
    Perry prustete und bemühte sich, sein Gelächter zu unterdrücken. Leo kicherte. Sie amüsierten sich immer noch, als Chris, Jamal, Markus und Dookie zurückkehrten. Die vier wirkten ernst.
    »Was habt ihr gesehen?«, fragte Leo.
    »Nichts«, antwortete Chris. »Der ganze dämliche Kasten ist versiegelt. Die Fenster sind entweder mit Brettern vernagelt oder zugemauert. Keine Hintertür, zumindest keine, die wir gesehen hätten. Wer immer da drin ist, will nicht, dass jemand reingeht.«
    »Aber es gehen doch Leute rein«, erinnerte ihn Perry. »Wenn niemand hineinkönnte, wären wir jetzt nicht hier. Warum also sollte jemand das gesamte Haus sichern, aber nicht auch die Eingangstür zunageln?«
    »Dealer«, meinte Markus. »Muss so sein. Und wir stehen auf der Veranda ihrer Drogenküche. Wir sollten abzischen, bevor uns jemand sieht.«
    »Es können keine Dealer sein«, widersprach Perry. »Normalerweise würde ich dir zustimmen. In dieser Stadt herrscht definitiv kein Mangel an Crack-Häusern und Meth-Laboren. Aber bei einer gewöhnlichen Drogenküche gäbe es hier ein ständiges Kommen und Gehen. Davon kann nicht die Rede sein. Normalerweise ist es hier ruhig. Sogar, wenn Leute verschwinden, gibtʼs vorher keinen Aufruhr oder Tumult, keine Schusswechsel oder anderen Lärm.«
    Er wandte sich wieder der Tür zu und betrachtete sie eingehend. Dann bedeutete er den Jungen, ihm zu folgen. Sie stiegen die Stufen hinauf.
    »Bleibt hinter mir. Ich mein’s ernst. Ich will nicht, dass einer von euch den Teufelskerl spielt, wenn wir reingehen.«
    Alle nickten stumm.
    Perry streckte die Hand aus und legte sie auf den Türknauf. Trotz der trockenen Luft fühlte sich das Metall kalt und feucht an. Er drehte.
    »Scheiße.«
    »Was ist?«, flüsterte Dookie.
    »Das verfluchte Ding ist abgesperrt.«
    Leo seufzte. »Und was machen wir jetzt?«
    Mit finsterer Miene schüttelte Perry eine weitere Zigarette aus seiner Schachtel.
    »Mr. Watkins? Was machen wir jetzt?«
    »Kleinen Moment«, erwiderte Perry und kramte nach seinem Feuerzeug. »Ich denke gerade nach.«
    »Denken Sie besser etwas schneller.«

15
    Heather hatte sich schon beinahe damit abgefunden, nie wieder

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