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Urban Gothic (German Edition)

Urban Gothic (German Edition)

Titel: Urban Gothic (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
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fühlte sie sich diesmal wegen der Laterne und des Messers wohler. Der Tunnel stieg stetig an, und sie folgte ihm, in der Hoffnung, dass er zur Erdoberfläche führte.
    Sie dachte an die Gegend über ihr und wie beängstigend und andersartig das Viertel auf sie gewirkt hatte, als sie hindurchgefahren waren. Nun konnte sie es kaum erwarten, es wiederzusehen. Aus Heathers Sicht stellte das Getto im Vergleich zu ihrem derzeitigen Aufenthaltsort das Paradies dar.
    Sie betete, während sie sich weiter verzweifelt emporkämpfte.
    Erschöpft blieb Kerri mit geschlossenen Augen geraume Zeit einfach liegen. Sie hatte keine Ahnung, wie lange. Als sie aus ihrem Dämmerzustand erwachte, schmerzten ihr Kopf und ihre Muskeln. Die Kiefer taten weh vom vielen Zähneknirschen. Langsam wälzte sie sich herum, leckte sich über die Lippen und schmeckte Schlamm. Sie überlegte, wie sie wohl gerade aussehen mochte, nachdem sie sich die ganze Nacht in Dreck und Blut gesuhlt hatte. Was Tyler wohl sagte, wenn ...
    »Tyler ...« Ihre Stimme kippte.
    Nein. Dafür hatte sie keine Zeit. Seit seinem Tod schien sie zwischen emotionalen Extremen hin- und herzupendeln. Erst hatte sie sich wie ein nervliches Wrack gefühlt, dann wie ein weiblicher Rambo, danach wieder wie ein Wrack. Sie wollte schlafen, einfach im Matsch liegen bleiben und in Vergessenheit versinken.
    Einige Minuten lang hatte sie einen wundervollen Tagtraum genossen – halb Erinnerung, halb Fantasie. Gegen Ende des vergangenen Sommers hatten sich Tyler, sie und der Rest der Clique auf den Weg nach New Jersey gemacht und eines Vormittags einen Ausflug nach Cape May unternommen. Die Häuser dort waren allesamt wunderschön und bunt bemalt und es gab einen Leuchtturm, auf den sie hinaufkletterten, um von oben Fotos zu schießen. Später, als das langweilig wurde, schlenderten sie die Uferpromenade in Wildwood entlang und fuhren mit den Achterbahnen. Sie hatten die Möwen mit Pommes frites und Schmalzgebäck gefüttert. Ein richtig toller Tag! Ein bestens gelaunter Tyler hatte in der Spielhalle für sie einen potthässlichen rosa Plüschgorilla mit künstlichen Wimpern gewonnen. Die nächsten Stunden schleppte er das riesige Monstrum für sie über den Rummelplatz. Irgendwo zu Hause gab es ein Foto von ihr, dem Affen und Tyler, wie sie zusammen im Riesenrad saßen und breit grinsten, sie beide mit derart heftigem Sonnenbrand, dass sie noch röter als das Plüschtier wirkten. Bis zu diesem Punkt handelte es sich bei dem Tagtraum um konkrete Erinnerungen.
    Die Fantasie hielt in der Form Einzug, dass sie zu sechst nach Wildwood zurückkehrten. Tyler saß neben ihr, hielt ihre Hand und lächelte, während Kerri mit den anderen darüber redete, wie sie aus dem verrückten Haus mit seinen Tunneln entkommen sollten. Tyler lächelte weiter, deshalb taten es auch die anderen. Sie verhielten sich, als sei alles in bester Ordnung, auch dann noch, als dunkle Gestalten aus dem Meer wateten und die Promenade entlang auf sie zuhielten. Sie stanken nach Schlamm und Blut. An der Spitze befand sich Noigel, von dessen Hammer Blut tropfte.
    An dieser Stelle schreckte Kerri hoch.
    Sie spuckte aus, um den Matsch aus dem Mund zu bekommen. Dann setzte sie sich auf und stöhnte, als ihre steifen Muskeln dagegen protestierten. In der Luft hing ein seltsames Aroma, trocken und herbstlich. Es schien ihr entgegenzuwehen. Die Finsternis blieb undurchdringlich wie ein dichter schwarzer Vorhang. Kerri wackelte unmittelbar vor ihrem Gesicht mit den Fingern, konnte sie jedoch nicht sehen. Das fand sie nicht so schlimm. So sehr sie die Dunkelheit fürchtete, sie fürchtete sich noch mehr davor, von Noigel und dessen abartigen Freunden ermordet zu werden. Wenn sie nichts sehen konnte, konnte sie umgekehrt vielleicht auch von ihnen nicht gesehen werden.
    Kerri kroch los. Unter ihr spürte sie Gestein, keinen Schlamm, und obwohl sich der Boden so kalt und nass wie im darüberliegenden Geschoss anfühlte, blieben ihre Hände trocken. In der Dunkelheit ließ sich kaum abschätzen, in welche Richtung sie sich bewegte, aber sie hatte das Gefühl, langsam nach rechts abzudriften, weiter und weiter weg von der Falltür. Nach einer Weile tastete sie den Boden, die Wände und die Decke ab und stellte fest, dass der Bereich groß genug war, um darin zu stehen. Gleich darauf stand sie auf. Es fühlte sich gut an, wieder normal gehen zu können, auch wenn sie nach wie vor nicht sah, wohin sie steuerte. Sie streckte die Arme vor

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