Urban Gothic (German Edition)
platzte er hervor. »Oh, es läuft immer alles auf Weiterverwertung hinaus. Weiterverwertet ... weiterverwertet ... weiterverwertet ...«
»Es ist jetzt an der Zeit für dich, still zu sein.«
Curd zog kräftig an Pauls Haar und legte seine Kehle frei. Dann setzte er das Messer an und schlitzte sie auf. Paul schloss die Augen und wappnete sich für einen Ansturm von Schmerzen, der jedoch ausblieb. Sein Hals fühlte sich etwas heiß an, aber schließlich war es in der Höhle auch warm. Er hörte das Plätschern von Wasser und wollte den Kopf drehen, um zu sehen, woher das Geräusch kam, doch Curd hielt ihn fest. Paul fiel auf, dass Blut an Curd klebte. Frisches Blut, verspritzt über sein hässliches, missgebildetes Zyklopengesicht und über seinen gesamten Arm. Paul versuchte, ihn zu fragen, woher es stammte. Er versuchte, ihn ein weiteres Mal anzuflehen, ihm zu erklären, weshalb er die Bemerkung über Weiterverwertung so komisch gefunden hatte, wollte ihm von Lisa und den Kindern erzählen. Aber als Paul sprechen wollte, stellte er fest, dass er es nicht konnte. Er hörte ein leises Fiepen und fragte sich, woher es stammte. Das Plätschern von Wasser wurde lauter und die Hitze an seinem Hals ließ nach. Er erzitterte. Plötzlich wurde ihm kalt. Er fühlte sich schläfrig, und Übelkeit befiel ihn. Curds Griff lockerte sich und Pauls Blick wanderte nach unten in das Fass, über dem er schwebte. Er blinzelte. Das Fass füllte sich mit ...
... Blut?
Wessen Blut? Woher stammte es?
Und warum herrschte auf einmal eine solche Kälte?
Dann hob Curd das Messer erneut an, packte abermals Pauls Haare und begann, mit wilden, schwungvollen Sägebewegungen der Klinge seinen Kopf abzuschneiden. Während er arbeitete, pfiff er vor sich hin. Als Paul begriff, was vor sich ging, versuchte er krampfhaft, die Besinnung zu verlieren. Bevor er es schaffte, war er bereits tot. Als Letztes nahm er den eigenen enthaupteten Körper wahr, als Curd seinen Schädel anhob, um ihn ihm zu zeigen. Blut schoss aus seinem Hals wie Wasser aus einem Gartenschlauch.
Wäre Paul noch dazu in der Lage gewesen, er hätte geschrien.
14
»Also, wie sieht der Plan aus?«
Leo blieb unvermittelt stehen, und seine Freunde taten es ihm gleich. Chris, Jamal, Markus und Dookie waren schließlich doch mitgekommen. Einige der anderen hatten sich wieder vor dem Watkins-Haus eingefunden, und Perry hatte sie aufgefordert, zurückzubleiben und der Polizei den Weg zu zeigen, falls sie wider Erwarten doch noch auf den Notruf reagierte.
»Was?«
»Wie sieht der Plan aus?«, wiederholte Perry. »Du warst es doch, der uns alle dazu angestachelt hat. Also, wie sieht der Plan aus, sobald wir drin sind?«
»Keine Ahnung.« Leo zuckte mit den Schultern und legte die Stirn in Falten. Seine Miene wirkte zweifelnd. »Ich schätze, ich dachte mir, wir stürmen einfach rein, finden diese Kids und machen diejenigen fertig, die sie gefangen halten – falls überhaupt sonst noch jemand drin ist.«
Perry schüttelte den Kopf. »Ihr Jungs zieht euch zu viele Filme rein. Wir sind hier doch nicht in Der Pate von Harlem .«
Alle starrten ihn an und er konnte an ihren Gesichtern ablesen, dass sie keine Ahnung hatten, worauf er damit anspielte.
»Soll das heißen, ihr habt nie Der Pate von Harlem gesehen? Heiße Hölle Harlem? Superfly? «
»Scheiße, nein«, antwortete Markus. »Ich seh nicht fern.«
»Haben sich eure Väter die Filme nie mit euch angesehen, als ihr klein wart?«
»Ich hab keinen Vater«, sagte Leo. »Hab ihn jedenfalls nie gekannt.«
Chris nickte. »Mein Alter sitzt 20 Jahre oben in Cresson ab.«
»Mein Dad sieht sich immer nur Wrestling an«, steuerte Jamal bei.
»Ich steh auf Anime«, sagte Dookie zu Perry. »Schon mal gesehen, Mr. Watkins?«
»Nein«, gestand Perry. »Ich weiß nicht mal, wer sie ist.«
»Wer?«
»Na, diese Annie-Mae, auf die du stehst.«
Dookie wirkte verwirrt. »Was?«
»Egal.« Seufzend suchte Perry den Blick von Leo und vergewisserte sich, dass ihm der junge Mann seine Aufmerksamkeit zuwandte. »Passt auf, vergesst die Filme einfach. Worauf ich hinauswill, ist, dass wir nicht einfach reinstürmen können. Wir wissen schließlich nicht, was da los ist. Falls wirklich jemand was Übles im Schilde führt, bringt er diese Kids womöglich um, wenn wir überstürzt reinplatzen. Verdammt, wir könnten selbst umgebracht werden. Wir müssen also klug an die Sache rangehen. Vorsichtig.«
»Na schön«, meinte Leo. »Was schlagen Sie
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