Urbat - Der verlorene Bruder: Roman (German Edition)
segnete sie mit besonderen Fähigkeiten. Er übertrug ihnen die Eigenschaften des mächtigsten Tiers, das in ihren Bergwäldern lebte, dem Wolf, und stattete sie mit mehr Schnelligkeit, Beweglichkeit, Geschicklichkeit, Kraft und Spürsinn aus.
Ich blickte Gabriel an. »Wenn man sich mit dem Bösen im Krieg befindet, dann ist das doch etwas völlig anderes, nicht wahr? Muss man nicht manchmal extreme Maßnahmen ergreifen, um seine Lieben zu beschützen?«
Gabriel räusperte sich. »Glauben Sie mir, Grace. Ich bin im Krieg gewesen. Kein Ort, wo Sie gern hingehen möchten.«
Ich wusste nicht, was ich erwidern sollte, also standen Gabriel und ich eine Weile nur da und starrten uns an, bis Claire hinter mir fragte: »Sind Sie im Mittleren Osten gewesen?«
Gabriel kniff die Augen zusammen und sah zu ihr. »Entschuldigung, wie bitte?«
»Der Mittlere Osten? Der Krieg? Mein Bruder ist im Irak.«
Gabriel trat einen Schritt zurück. »Oh ja. Ich war im Mittleren Osten.«
»Wie ist es da?«
»Ich kann mich nicht erinnern. Es ist lange her.« Seine Stimme klang leise und ich war mir nicht sicher, ob es außer mir jemand anderer gehört hatte.
Ich setzte mich auf meinen Stuhl und schlug mein Heft auf.
»Wir sollten jetzt mit der Stunde fortfahren«, sagte Gabriel, an die Klasse gewandt. »Soweit ich es verstehe, haben Sie alle über die Leitgedanken der Evangelien gesprochen. Doch ich gehöre zu den Menschen, die es für sinnvoll halten, über das Gespräch hinauszugehen und die Lektionen, die wir lernen sollen, auch tatsächlich umzusetzen. Den christlichen Glauben leben, um es mal so auszudrücken. Und nach dem, was Mr. Shumway für die nächsten Wochen geplant hatte, scheinen wir eines Geistes zu sein.« Gabriel trat an die Tafel und schrieb in großen Buchstaben:
Oberstufenprojekt Religionsunterricht.
»Mr. Shumway hatte die Absicht, neue Regeln für alle Oberstufenschüler einzuführen, die in diesem Jahr ihren Abschluss machen möchten. Er hatte vorgesehen, dass Sie alle noch vor den Ferien an einem umfangreichen sozialen Projekt teilnehmen. Ich halte das für eine brillante Idee und beabsichtige, mich an die Absprachen zu halten, die er bereits getroffen hat.«
Ich richtete mich auf. Das musste also die große Überraschung sein, die uns Mr. Shumway vor seiner Kündigung versprochen hatte.
»Vor den Ferien?«, fragte Chris Conway, der Sohn des Direktors, und hörte auf, flammende Totenschädel in sein Heft zu zeichnen. Ich war überrascht, dass er zur Abwechslung überhaupt mal zugehört hatte. »Es sind nur noch zwei Wochen bis zu den Ferien. Das ist völlig unmöglich.«
»Es ist keineswegs unmöglich, und Sie bekommen jeden Tag eine Stunde früher frei, um an Ihren jeweiligen Projekt teilzunehmen.«
»Können wir alles machen, wozu wir Lust haben?«, fragte April. »Ich könnte Schmuck für die Patienten in der Kinderklinik machen.«
»Mr. Shumway hat die einzelnen Projekte schon vorab für Sie ausgewählt. Wir werden mit einer Organisation arbeiten, die sich die Rock Canyon Stiftung nennt.«
»Die betreiben doch das Obdachlosenheim in der Innenstadt, oder?«, fragte ich.
»Sehr gut, Grace.«
»Es tut mir leid, aber meine Eltern werden mir auf keinen Fall erlauben, im Obdachlosenheim zu arbeiten«, meinte Katie. »Sie lassen mich nicht mal in die Innenstadt fahren, seit sich diese unsichtbaren Kriminellen dort rumtreiben.«
»Deshalb werden wir die Gruppe auch aufteilen. Eine wird sich hier in der Nähe aufhalten. Mr. Shumway hatte für diese Gruppe ursprünglich vorgesehen, dass sie die Rock Canyon Stiftung bei der Arbeit im Seniorenheim in Oak Park unterstützt. Allerdings werde ich diese Vereinbarung etwas abändern. Ich vermute, die meisten von Ihnen haben mitbekommen, was im örtlichen Supermarkt geschehen ist. Ich habe gehört, dass der Besitzer Hilfe benötigt, um den Laden aufzuräumen und wieder in Gang zu bringen. Man muss dort sauber machen und ein paar Dinge an der Lichtanlage reparieren. Ich nehme an, dass sie Spendensammler und ein paar unbezahlte Arbeitskräfteganz gut gebrauchen könnten. Daniel Kalbi wird diese Gruppe anleiten, da er bereits für Mr. Day arbeitet. Diejenigen, denen nicht erlaubt ist, Rose Crest zu verlassen, oder die direkt nach der Schule arbeiten müssen, werden in dieser Gruppe sein. Mr. Shumway hat Ihre Erziehungsberechtigten bereits um Erlaubnis gefragt und die Klasse in zwei Gruppen eingeteilt. Daniel hat die Namen derjenigen, die in Rose Crest
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