Urbat: Die dunkle GabeRoman (German Edition)
bitten, mich zu …« Er schüttelte den Kopf. »Außerdem ist es viel zu gefährlich.«
»Das ist mir egal. Ich werde es tun.«
»Grace, wir reden hier nicht von einem kleinen Stich mit dem Messer und ein bisschen Blut. Du musst mich
töten
.«
»Glaubst du nicht, dass ich das alles schon überlegt habe?«
»Hast du wirklich, Grace? Ist dir klar, dass du nicht nur mich töten musst? In dem Brief steht, dass der Dolch ins Herz des
Wolfs
gestoßen werden muss. Ich müsste dir in vollständiger Wolfsgestalt begegnen, und das wäre viel zu gefährlich für dich. Ich fahre lieber zur Hölle, als dich darum zu bitten.«
Ich trat einen Moment zurück und schuf einen Abstand zwischen uns. Daran hatte ich in der Tat nicht gedacht. Ich hatte eine physische Gefahr für mich gar nicht berücksichtigt, wenn ich auf einen Werwolf hinabblickte, der genau wusste, dass ich ihn töten wollte.
Ich trat wieder dicht zu Daniel. »Du musst mich nicht bitten«, sagte ich und nahm seine Hand. »Ich werde alles tun, um dich zu retten.«
»Alles?«
»Ja.«
»Das werde ich nicht zulassen. Ich kann nicht …«
»Aber warum bist du dann geblieben? Warum bist du nicht gegangen, sobald du wusstest, worin die Heilung besteht?«
»Weil …«
»Weil es das ist, was du wirklich willst. Du hast gehofft, ich würde begreifen, dass du genau das brauchst.«
Die ganze Zeit hatte ich versucht, Daniel wieder in Ordnung zu bringen – ihn zu retten –, aber man kann niemanden retten, solange er nicht gerettet werden will. Das verstand ich jetzt. So wie ich viele Dinge jetzt verstand.
Ich drückte seine Hand. »Wenn es das ist, was du willst, dann lass es mich für dich tun.«
Daniel blickte zum Himmel und kratzte sich am Ohr. »Du bist mir ja wirklich eine. Ich meine, schließlich passiert es ja nicht jeden Tag, dass man von seiner Freundin angeboten bekommt, von ihr getötet zu werden.«
»Freundin?«
Das typisch ironische Grinsen überzog sein Gesicht. »Ist es etwa das, was dir Sorgen macht? Gott, ich sollte wirklich verschwinden, bevor ich dich noch völlig verrückt mache.«
»Aber du kannst nirgendwo hin.«
»Genau, weil wir nämlich ein nettes ruhiges Plätzchen brauchen, wo ich mich in einen Werwolf verwandle und du mir ein Messer ins Herz stößt.«
»Rede doch nicht so.«
Daniel blickte auf unsere verschlungenen Hände. »Und das alles macht dir nicht zu schaffen? Es ist völlig in Ordnungfür dich, mein Leben zu beenden?« Seine Stimme klang bitter. »Wirst du dann
dein
Leben einfach weiterleben? Wirst du dich mit Jungs wie Pete treffen, ohne mich nach Trenton gehen, eine berühmte Künstlerin werden und keinen weiteren Gedanken an mich verschwenden? Mit alldem wirst du klarkommen?«
»Ja«, erwiderte ich.
Er löste sich aus meinem Griff.
»Ich meine … natürlich wird es mir zu schaffen machen. Wenn die Zeit gekommen ist, wird es mir ganz schön zusetzen. Aber alles andere muss doch nicht so sein. Du kannst all diese Sachen mit mir zusammen tun, außer natürlich Petes Rolle übernehmen. Aber es ist doch nicht so, dass ich dich sofort töten muss. Wir können…«
»Du verstehst es nicht.« Daniel sah mich nicht an. »Ich muss entweder sterben oder die Stadt verlassen – heute noch. Noch vor heute Abend. Bevor ich noch mehr Schaden anrichten kann.«
Ich streichelte seine Wange.
Er wich zurück.
»Du hast diesen Menschen keinen Schaden zugefügt«, sagte ich. »Maryanne, James, Jessica Day. Du hast es doch nicht getan, oder?«
Daniel spielte mit seinem Halsband. »Nein, ich war es nicht.«
»Du hast diesen Mondstein. Du kannst doch ein … halbnormales Leben führen. Du kannst deine Fähigkeiten sogar einsetzen, um anderen Menschen zu helfen. Wir müssen es doch nicht heute tun. Irgendwann, ja, aberdoch nicht ausgerechnet jetzt.« Die Tatsachen an die Seite zu schieben und der Wahrheit nicht ins Auge zu blicken, war momentan alles, was mich davon abhielt, verrückt zu werden. »Deswegen kannst du mich auch nicht verlassen. Wir müssen so lange zusammenbleiben, bis die Zeit gekommen ist und wir es tun müssen. Gib mir nur ein bisschen mehr Zeit, und dann werde ich deine Seele befreien, bevor du stirbst.«
»Grace, ich wünschte, es wäre so einfach. Zeit ist aber genau das, was wir nicht haben. Wir können das Ganze nicht ewig auf die lange Bank schieben. Da draußen gibt es mehr als nur einen Menschen, der mich gerne tot sehen würde. Und wenn mich jemand anderer als du tötet …«
»Wer? Wer will dich tot
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