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Urbat: Die dunkle GabeRoman (German Edition)

Urbat: Die dunkle GabeRoman (German Edition)

Titel: Urbat: Die dunkle GabeRoman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bree Despain
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Haus geholfen, nachdem die letzte ihrer Töchter nach Wisconsin gezogen war, als ich zwölf war. Sie war also so etwas wie unsere Ersatz-Oma.
    »Sie weigert sich, zum Arzt zu gehen. Sie möchte nur, dass ich für sie bete.« Dad seufzte. Er sah überarbeitet und mitgenommen aus. So, als ob die ganze Last der Gemeinde auf seinen Schultern ruhte. »Manche Leute erwarten anscheinend Wunder.«
    Ich reichte ihm einen Beutel Pfefferminztee. »Hat Gott dafür nicht die Ärzte erschaffen?«
    Dad kicherte. »Möchtest du nicht vielleicht zu Maryanne gehen und ihr das sagen? Nicht mal dein Bruder schafft es, sie zu überreden, und du weißt ja, wie sehr sie ihn liebt. Er hat ihr gesagt, dass sie bestimmt fit genug wäre, um morgen ihr Solo zu singen, wenn sie schon beim letzten Mal zum Arzt gegangen wäre.« Dad ließ den Kopf sinken; seine Nase verfehlte knapp den Rand der Tasse. »Ich weiß nicht, wo ich jetzt noch einen Ersatz herkriegen soll. Außerdem geht’s morgen los mit der Sammlung für die Schulstipendien des nächsten Semesters.«
    Dad war der Ansicht, dass jeder Heranwachsende die Möglichkeit haben sollte, eine ordentliche christliche Erziehung zu bekommen. Deshalb führte er zweimal im Jahr eine Aktion in der Gemeinde durch, bei der Geld für Stipendien der Holy Trinity Academy gesammelt wurde. Die über achtzigjährige Maryanne Duke sang dabei immer ihr berühmtes Solo von
Holy Father, in Thy Mercy
, und Dad und der Rektor und andere Mitglieder desSchulverwaltungsrats sprachen dann über Wohltätigkeit und den ›Einsatz für andere‹. Mom war der Ansicht, Dad würde so viel zum Wohl der Gemeinschaft beitragen, dass eigentlich Jude und ich die besten Voraussetzungen für das Stipendium hätten.
    »Vielleicht hätte ich mich dieses Jahr für einen Kinderchor entscheiden sollen«, sagte Dad, bevor er einen Schluck von seinem Tee nahm. »Weißt du noch, wie viel Spaß es dir und Jude gemacht hat, mit euren Freunden zu singen? Ihr wart der beste Kinderchor im ganzen Bundesstaat.«
    »Ja, das war toll«, erwiderte ich leise. Ich nahm einen Löffel und rührte in meinem Tee. Er war ungewöhnlich schnell kalt geworden – aber vielleicht bildete ich mir das nur ein. Ich war erstaunt, dass Dad den Kinderchor zur Sprache brachte. Jude, Daniel und ich hatten die Gesangsgruppe gegründet, als Daniel noch bei uns lebte. Doch es waren nur ein paar Monate vergangen, bis wir unseren besten Tenor verloren. Daniel hatte die Stimme eines Engels besessen – mit erstaunlicher Klarheit und Tiefe für so einen verschmitzten Jungen –, doch dann war sie krächzend und heiser geworden, genauso, wie sie sich letzte Nacht angehört hatte. Als Daniels Mutter ihn wieder zu sich nahm, war das nicht nur für unseren Chor und unsere Familie ein Schicksalsschlag, sondern in erster Linie für Daniel selbst.
    »Du könntest es machen«, sagte Dad.
    Ich verschüttete wieder etwas Tee. »Was?«
    »Du könntest Maryannes Solo singen.« Dad lächelte,seine Augen schienen aufzuleuchten. »Du hast eine wunderschöne Stimme.«
    »Ich bin aus der Übung. Ich klinge eher wie ein Frosch.«
    »Du würdest mir wirklich den Tag retten.« Er legte seine Hand auf meine. »Außerdem könnte es nicht schaden, wenn deiner Seele mal wieder ein paar Flügel wüchsen.«
    Ich blickte auf meine Tasse hinunter. Ich hasste es, wie Dad so direkt in mein Innerstes schaute; als ob er über spezielle Pastoren-Superkräfte oder so was verfügte.
    »Ich werde aushelfen«, erklang Charitys Stimme aus dem Hintergrund. Sie war mit einer ganzen Ladung von Büchern aus der Bücherei auf dem Arm hereingekommen. »Ich kann mit dir singen, Grace. Es könnte doch ein Duett sein.« Charity lächelte mich erwartungsvoll an. Sie liebte es zu singen, wenn sie sich allein glaubte, doch ich wusste, dass ihre zaghafte Stimme niemals ein Solo in einer vollbesetzten Kirche tragen könnte.
    »Danke, das ist eine gute Idee«, erwiderte ich.
    Dad klatschte begeistert in die Hände. »Die Liebe jedoch, sie hört niemals auf«, zitierte er aus dem Korintherbrief und umarmte uns beide.
     
    Sonntagmorgen
     
    Ich fand mich neben Don Mooney wieder, als wir auf den behelfsmäßig errichteten Chorbänken hinter dem Altar hockten. Charity saß auf der anderen Seite neben mir unddrehte einen Programmzettel in den Händen. Don grölte
Ein feste Burg ist unser Gott
zwei Oktaven tiefer als der restliche Chor. Er sang jedoch so inbrünstig und gleichermaßen unbeholfen, dass ich zum ersten Mal so etwas

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