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Urbat: Die dunkle GabeRoman (German Edition)

Urbat: Die dunkle GabeRoman (German Edition)

Titel: Urbat: Die dunkle GabeRoman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bree Despain
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erblickte als Erstes Don Mooney, der seinen Kopf in den Händen verbarg. Ein heulendes Riesenbaby.
    »Dad!«, rief ich über Dons Geplärre hinweg durch den Raum. »Was ist denn hier los, um Himmels willen?«
    Dad blickte auf, sichtlich erschreckt darüber, dass ichplötzlich da war. Don bemerkte mich ebenfalls. Er wurde sofort ruhiger, blieb jedoch zitternd auf seinem Stuhl sitzen. Aus seiner Nase und seinen großen, geschwollenen Melonenaugen strömten Rotz und Tränen nur so heraus.
    Dad seufzte. Seine Schultern fielen herab, als hätte sich das auf ihnen lastende Gewicht plötzlich um das Zehnfache vergrößert. »Don hat sein Messer mit zur Arbeit genommen. Schon wieder.« Dad deutete auf den leider allzu bekannten Dolch, der auf dem Schreibtisch lag. Es war dasselbe Messer, das Don meinem Vater einst an die Kehle gehalten hatte. »Er hat ein paar Kunden erschreckt, und Mr Day hat ihn gefeuert. Schon wieder.«
    »Ich wusste gar nicht, dass er schon mal rausgeflogen ist.«
    Don zuckte zusammen.
    »Ja, weil ich dann immer die Wogen glätte. Don macht Mist, und ich beseitige ihn.« Dad klang sehr distanziert. Die übliche Freundlichkeit und das Mitleid, sonst so charakteristisch für seine tiefe, melodische Stimme, waren verschwunden. Seinem schlaff herunterhängenden Gesicht war der mangelnde Schlaf anzusehen, und um seine Augen lagen dunkle Ringe. »Ich versuche immer wieder, alle möglichen Dinge für so viele Leute geradezubiegen, doch sieh nur, wohin es mich geführt hat. Ich kann niemandem mehr helfen. Ich mache alles nur schlimmer. Jetzt sind beide auf sich allein gestellt.«
    »Beide?«, fragte ich.
    Dons erneutes Heulen unterbrach mich.
    »Aber Dad, wir reden hier über Don«, sagte ich, selbst überrascht von den plötzlichen Gefühlen, die ich für dieses heulende Elend aufbrachte – trotz seines Messers in der Nähe. »Du wolltest doch niemanden erschrecken, oder?«
    »Nein, Miss Grace.« Dons riesige Unterlippe zitterte. »Diese Leute da hatten schon genug Angst. Sie sprachen über das Monster, das versucht hat, Maryanne zu fressen. Also hab ich ihnen mein Messer gezeigt. Es ist aus purem Silber. Mein Urgroßvater hat damit Monster getötet. Das hat mir mein Großvater erzählt. Alle meine Vorfahren haben geschworen, Monster zu töten. Ich hab den Leuten nur gezeigt, dass ich das Monster aufhalten könnte, bevor es …«
    »Das reicht jetzt«, unterbrach mein Vater. »So etwas wie Monster gibt es nicht.«
    Don zuckte zusammen. »Aber mein Großvater …«
    »Don!« Ich warf ihm meinen strengsten
Jetzt-Übertreib-Es-Nicht- Blick
zu. Dann wandte ich mich zu Dad. »Don braucht dich. Du hast gesagt, du würdest ihm helfen. Jetzt kannst du nicht einfach aufhören, nur weil es kompliziert wird. Was ist denn mit ›Siebzig mal Sieben‹ und dem ›Du sollst deines Bruders Hüter sein‹, wovon du sonst immer redest?«
    Eine Woge des Schuldgefühls durchströmte mich. Wie konnte ich so etwas sagen? Ich war schließlich diejenige, die Daniel aufgeben wollte, weil sich herausgestellt hatte, dass ihm zu helfen weitaus schwieriger war, als ich erwartet hätte. Und ich konnte kaum glauben, dass ich meinemVater Stellen aus der Bibel – noch dazu ziemlich plumpe – vorhielt.
    Dad strich sich mit der Hand übers Gesicht. »Es tut mir leid, Grace. Du hast völlig recht. Das ist das Kreuz, das ich zu tragen habe.« Er legte seine Hand auf Dons Schulter. »Ich schätze, ich kann noch einmal mit Mr Day reden.«
    Don stürzte sich auf meinen Vater und umarmte ihn. »Danke, Pastor D-vine.«
    »Dank mir nicht zu früh.« Dad wirkte etwas atemlos nach Dons fast lebensgefährlicher Umarmung. »Ich muss dir eine Zeit lang den Dolch abnehmen.«
    »Nein«, erwiderte Don. »Er gehörte meinem Großvater. Das Einzige, was mir von ihm geblieben ist. Ich brauche ihn … für die Monster …«
    »So lautet die Abmachung«, sagte Dad bestimmt und sah dann mich an. »Grace, leg das Ding an einen sicheren Ort.« Er führte Don aus dem Zimmer, der sich dabei sehnsüchtig nach seinem Messer umdrehte. »Du bekommst ihn in ein paar Wochen zurück.«
    Ich stopfte meinen Prüfungsbogen in den Rucksack – heute war offenbar nicht der richtige Tag, um ihn abzeichnen zu lassen – und nahm den Dolch in die Hand. Er war schwerer, als ich erwartet hatte. Die Klinge war angelaufen und mit seltsamen dunklen Flecken bedeckt. Der Dolch schien alt zu sein, ja sogar wertvoll. Ich wusste, wo ich ihn verstecken sollte. Ich kippte den Topf des

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