Urbat: Die dunkle GabeRoman (German Edition)
kannst. Du könntest den Menschen wirklich helfen. Und du hast James gerettet.« Ich kratzte an meinem Verband. Meine Hände und Füße pochten, alles tat mir weh. Die Kraft der Selbstheilung hätte ich gerade jetzt auch sehr gut gebrauchen können. »Ich wünschte, ich könnte so etwas tun.«
Er legte die Finger um seinen glatten Steinanhänger. »Die Nebenwirkungen würden dir nicht gefallen«, erwiderte er.
»Machst du Witze? Ich würde alles tun, um so wie du zu sein.«
»Nein, das würdest du nicht.« Daniel sah mich an. In seinen Augen schimmerte wieder dieser hungrige Glanz. »Deshalb bist du ja etwas Besonderes.«
Ein ängstliches Schaudern durchfuhr mich. Ein Teil von mir wollte zurück ins Zimmer klettern und das Fenster verschließen. Doch der stärkere Teil in mir lechzte danach, dass er mich in seine Arme nahm und mit mir fortlief – fort von allem und jedem.
»Du bist wirklich etwas Besonderes, weißt du«, sagte Daniel und streichelte meinen Arm.
»Daniel, ich …«
Plötzlich zuckte Daniel zusammen und wandte sich ab. Er drückte den schwarzen Anhänger fester an sich und presste zwischen heftigen Atemzügen etwas hervor, das ich nicht verstehen konnte.
»Geht es dir nicht gut?«, fragte ich und streckte die Hand nach ihm aus.
»Nein, bitte nicht.« Er wich vor meiner Berührung zurück und drückte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Dann zog er die Knie zur Brust, als ob er eine Barriere zwischen uns errichten wollte. Sein Körper zitterte. Er schloss die Augen und keuchte. Das Zittern ließ nach, doch immer noch hielt er mit starrer Faust den Anhänger umklammert.
»Ist es das, was dir deine … Fähigkeiten gibt? Der Anhänger?«
Daniel hielt die Augen geschlossen. »Nein.«
»Aber wie sonst? Was denn?«
Durch zusammengebissene Zähne atmete er aus. »Ich sollte jetzt gehen.«
»Aber ich will alles wissen.«
»Tut mir leid, Grace. Ich sollte jetzt wirklich gehen.«
Ich verschränkte die Arme. »So einfach kommst du mir nicht davon. Versprochen ist versprochen, weißt du noch?«, gab ich rechthaberisch zurück.
Daniel hielt inne; sein Mund verzog sich zu einem Grinsen. »Du weißt nicht, was du damit bei mir verursachst.«
Ich wurde rot, wollte mich aber nicht abbringen lassen. »Hast du deswegen damals die Stadt verlassen? Oder istdas passiert, während du weg warst? Wie bist du so geworden? Bitte sag es mir.«
»Nichts ist mit mir
passiert
. Nicht, wie du glaubst. Ich vermute, man könnte wohl sagen, dass ich so geboren wurde.«
»Ich kann mich nicht erinnern, dass du … so gewesen bist.« Doch dann fiel mir plötzlich ein, wie er als Kind oft morgens blaue Flecken hatte, die am Nachmittag verschwunden waren, oder dass er mit einem verstauchten Fuß wundersamerweise plötzlich nicht mehr hinkte. Ich erinnerte mich auch, wie erstaunt Daniels Arzt darüber gewesen war, dass seine Schädelfraktur schon nach ein paar Wochen abheilte und nicht erst nach Monaten.
»Es entwickelt sich mit dem Älterwerden … und durch Erfahrung.«
»Superkräfte sind aber schon was anderes als Achselhaare oder Pickel«, erwiderte ich.
Daniel lachte. »Es ist so eine Art Familiending«, sagte er und senkte dabei die Stimme. »Du weißt doch, was dein Vater in seinen Predigten über den Teufel sagt. Der Teufel arbeitet – unter anderem – mit subtilen Dingen wie Schmeichelei, Eifersucht und Selbstgefälligkeit.«
Ich nickte. Es war eines von Dads Lieblingsthemen.
»Nun, der Teufel war nicht immer so geschickt. Am Anfang setzte er Dämonen, Vampire und andere böse Geister ein, um die Menschen nach seiner Pfeife tanzen zu lassen. Eben richtige Monster, die sich heulend durch die Nacht bewegen.« Daniel sah mich an, um zu sehen, wie ich darauf reagierte.
Ich wusste nicht, was ich sagen oder auch nur denken sollte. Meinte er es ernst? Wollte er mich wirklich glauben machen, dass Monster existierten? Bis heute hatte ich eigentlich immer gedacht, dass Menschen mit Superkräften und Selbstheilungsfähigkeiten nur in Comicheften vorkamen.
Daniel fuhr fort, als ich nicht antwortete. »Als sich die Dämonen über die Erde verbreiteten, entschied sich Gott dafür ›Feuer mit Feuer zu bekämpfen‹, um es mal so auszudrücken. Meine Familie, die Kalbis, existierte schon, bevor es eine geschriebene Sprache gab. Lange bevor sich überhaupt eine richtige Zivilisation entwickelte. Meine Familie war Teil eines Kriegerstammes. Mit eiserner Hand verteidigten sie ihr Land, aber sie waren auch
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