Urbat: Die dunkle GabeRoman (German Edition)
inne.
»Danke. Für das, was du für Dad getan hast … hinter dem Haus.«
Daniel biss sich auf die Lippe. »Du hast es gesehen?«
Ich nickte.
Sein Gesicht errötete leicht. »Mach dir keine Sorgen deswegen, Gracie. Dein Vater spürte nur plötzlich die Nachwirkung dessen, was heute passiert ist. Er glaubte, dass er seinen Sohn für immer verloren hätte.« Daniel trat an den Rand des Dachvorsprungs zurück und stellte sich auf die Zehenspitzen. »Verschließ dein Fenster«, sagte er und sprang mit einem Salto rückwärts vom Dach.
KAPITEL 14
Ungeahnte Höhen
Im Bett
Ich wickelte mich in meine Bettdecke und versuchte, die wirbelnden Gedanken in meinem Hirn zu stoppen. Doch ich konnte nicht aufhören, an Daniel zu denken: wie sich seine Umarmung angefühlt hatte; die Leichtigkeit und Freiheit, als ich mit ihm durch den Wald gelaufen war; was er mir über seine Vorfahren erzählt hatte … und über sich selbst. Doch hauptsächlich wollte ich wissen, wieso Daniel meine Frage nach der Existenz von Monstern nicht beantwortet hatte.
Ich muss zugeben, dass ich nicht viel über solche Dinge wusste – Monster, Dämonen,
Vampire
. Viele Leute in der Gemeinde glaubten, es sei eine Sünde, über derart Unheimliches Bücher zu lesen oder Filme anzuschauen. Meine Eltern achteten darauf, welche Sendungen wir uns im Fernsehen ansahen, und einige Freunde von mir durften die Harry-Potter-Bücher nicht lesen, da in ihnen angeblich die Zauberei verherrlicht wurde. Ich war immer der Meinung gewesen, dass das ziemlicher Unsinn war, es waren ja ohnehin nur erfundene Geschichten. Zumindest war es das, was ich bisher geglaubt hatte.
Doch Verbote hielten die Menschen in Rose Crest nicht vom Reden ab. Ich war stets der Überzeugung gewesen, dass das Markham Street Monster nur eine Geschichtemit einer moralischen Botschaft sei, um uns Kinder ein wenig zu erschrecken und dadurch von schlechtem Benehmen abzuhalten.
Die Geschichten hatten zunächst damit begonnen, dass auf der Markham Street irgendein haariges Ungetüm gesehen worden war. Dann waren in diesem Stadtviertel plötzlich Leute verschwunden. Meist Bewohner aus dem Obdachlosenheim, Prostituierte oder jugendliche Ausreißer, daher schien es niemanden sonderlich zu berühren. Allerdings nur so lange, bis dann ungefähr einmal im Monat eine übel zugerichtete Leiche auf der Markham Street gefunden worden war. So hatten auf alle Fälle die Gerüchte gelautet, die wir als Kinder gehört hatten. In der Gegend von Rose Crest waren die Dinge nicht so schlimm gewesen. Meist fand man ein totes Tier, wie meine kleine Hündin Daisy, in Stücke gerissen. Dad hatte gesagt, es sei wahrscheinlich nur ein Waschbär aus dem Wald gewesen, der sich in die Stadt verirrt hatte, doch ich hatte immer etwas Schlimmeres befürchtet. Was wäre, wenn ich nun recht gehabt hatte? Was wäre, wenn es tatsächlich das Markham Street Monster gewesen war? Was wäre, wenn es sogar bis in unseren Vorgarten gekommen war?
Diese seltsamen Vorfälle hatten dann vor Jahren aufgehört, schon lange bevor Daniel die Stadt verlassen hatte. Doch nun geschahen sie wieder. Maryanne war zwar erfroren, doch ihre Leiche war ebenso geschändet worden wie die Toten, die man in der Markham Street gefunden hatte. Dann war James verschwunden … und da war das Blut auf der Veranda. Ich konnte auch nicht vergessen,wie ich selbst in der Markham Street gestrandet war. Was wäre wohl passiert, wenn Daniel nicht plötzlich aufgetaucht wäre?
Konnte es wirklich nur ein Zufall sein, dass diese Dinge genau jetzt wieder anfingen, wo Daniel nach Hause kam? War ihm das Monster vielleicht hierher gefolgt? Oder war er womöglich derjenige, der es jagte?
Daniel hatte behauptet, dass er wegen der Kunstschule zurückgekommen sei, doch ich spürte genau, dass es da noch etwas anderes gab. Ging es darum? War das Markham Street Monster zurückgekommen? War Daniel jetzt hier, um uns alle vor ihm zu schützen?
Morgen
Ich musste schließlich doch eingeschlafen sein, denn ich wurde von einem lauten
Klonk
draußen vor dem Fenster geweckt. Ich rollte mich herum und blickte auf den Wecker: sechs Uhr. Das
Klonk
ertönte ein weiteres Mal, also stand ich auf um nachzusehen. Draußen war es fast noch dunkel, doch ich konnte erkennen, dass niemand an der Vorderseite des Hauses war. Das hämmernde Geräusch ging weiter. Es schien von der Rückseite des Gebäudes zu kommen. Meine Beine waren noch immer so steif, dass ich fast auf meinem
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