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Urbat: Die dunkle GabeRoman (German Edition)

Urbat: Die dunkle GabeRoman (German Edition)

Titel: Urbat: Die dunkle GabeRoman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bree Despain
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Buntglasfenster mit dem Christusmotiv auf die Knie, zog seine Jacke aus und bot sie mir an. ›Nimm sie‹, sagte er. ›Draußen ist es kalt und du brauchst sie mehr als ich.‹ Er legte mir die Jacke ganz ruhig und friedvoll in die Hände. Ich konnte es nicht verstehen, ich begriff seine Haltung nicht. Ich verstand nicht, wieso er sie mir einfach so anbot, als ob es nichts wäre, als ob ich nichts getan hätte. Und da kam mir plötzlich dieser Gedanke: Ich wollte ihn töten. Dann schoss irgendwas wie Feuer durch meine Adern, ich fing an zu zittern und zu schreien … und griff ihn an. Ich kann mich nur erinnern, dass ich irgendwo draußen auf dem Grundstück wieder aufwachte. Meine Sachen waren verschwunden, und überall lagen diese kleinen bunten Glasstücke herum. Ich war voller Blut, doch es war nicht meins. Ich hatte keine Ahnung, was geschehen war, was ich geworden war. Gabriel sagt, dass es die ersten paar Male so passiert, du bist dir deiner Handlungen nicht bewusst. Ich war außer mir. Ich wusste auch nicht, wo dein Bruder abgebliebenwar. Doch dann entdeckte ich, dass er ein paar Meter weiter völlig zusammengekrümmt in den Büschen lag. Und mir wurde klar, dass ich die Verantwortung dafür trug.«
    Ich presste meine Hand auf die Brust. Mein Herz schlug so schnell, dass es beinahe zwischen meinen Rippen hervorzuspringen drohte. »Warst du es oder der Wolf?«
    Daniel schwieg einen Moment. »Der Wolf stürzte ihn durch das Fenster. Doch
ich
war es, der ihn zurückließ. Ich sah Blut auf seinem Gesicht und wusste, dass er Hilfe brauchte. Doch ich rannte weg. Ich nahm die Geldkassette und habe ihn zurückgelassen.«
    Der Stuhl knirschte, als Daniel aufstand. Ich hörte, wie er näher kam, und konnte seinen dunklen Schatten in den hin und her klimpernden Augen der Katzen-Uhr erkennen.
    »Willst du wissen, was das wirklich Verrückte an der Geschichte ist?«, fragte er. Er stand jetzt dicht neben mir.
    Ich antwortete nicht, doch er fuhr fort. »Dieses Geld reichte nur für drei Wochen«, erklärte er. »Fünftausend Dollar Blutgeld, die ich für schmutzige Hotelzimmer und Mädchen ausgab, die mir so lange ihre Liebe schworen, bis ich pleite war. Und nach drei Wochen, als ich langsam wieder nüchtern genug wurde, um mich zu erinnern, was geschehen war, lief ich davon. Doch wie schnell oder wie weit ich auch rannte, ich konnte dem Wolf nicht entkommen. Also hetzte ich weiter, trank und nahm alle Drogen ein, die meine Erinnerungen ausschalten konnten,und rannte immerfort. Und so bin ich wahrscheinlich wieder hier gelandet.«
    Daniel rückte jetzt ganz dicht an mich heran, so dicht wie in der Mondnacht, als wir uns geküsst hatten. »Weißt du jetzt, wer ich bin? Glaubst du immer noch, dass ich es wert bin, gerettet zu werden?« Sein Atem brannte auf meinem Gesicht. »Kannst du mir jetzt in die Augen sehen und mir sagen, dass du mich liebst?«
    Ich lenkte meinen Blick von der Uhr auf meine Füße. Dann bahnte ich mir einen Weg durch die Glasscherben, griff nach meinem Rucksack, ließ die Fläschchen mit Leinöl und Firnis auf dem Tisch liegen und lief direkt zur Tür. Ich blieb stehen, als meine Hand auf dem Türknauf lag.
    »Es war nicht Jude, der sein Versprechen gebrochen hat«, stieß ich hervor. »Ich war es, der deinen Vater angeschwärzt hat. Ich bin diejenige, die dich zu einem Wolf gemacht hat.«
    Ich riss die Tür auf und rannte die Treppe hinauf zum Minivan.
    Über eine Stunde fuhr ich ziellos durch die Gegend und landete dann schließlich irgendwie zu Hause und in meinem Bett.
    Kein einziger Gedanke war mehr in meinem Kopf. Kein einziges Gefühl auf meiner Haut. Ich war komplett und völlig leer.

KAPITEL 18
Das Buch der Geheimnisse
     
    Montag
     
    In einem Wirrwarr aus Bettdecken wachte ich am nächsten Morgen auf. Von kaltem Schweiß durchnässt klebte das T-Shirt an meiner Brust. Mein Kopf pochte. Es fühlte sich an, als bohre jemand ein Loch in meinen Schädel. Der Schmerz kroch bis hinter meine Augen. Ich schielte auf den Wecker. Es war schon viel später, als ich vermutet hatte. Ich zwang mich aus dem Bett und unter die Dusche.
    Ich stand in einem Strom heißen Wassers und ließ die Hitze auf die Taubheit unter meiner Haut einwirken und den Schock fortspülen. Dann kamen die Tränen.
    Ich habe nie geweint. Nicht seitdem ich ein Baby war, behauptet zumindest meine Mutter. Ich habe nie verstanden, was das bringen sollte. Weinen ändert gar nichts. Doch als jetzt die Tränen an meinem Gesicht

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