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Urbat: Gefährliche Gnade (German Edition)

Urbat: Gefährliche Gnade (German Edition)

Titel: Urbat: Gefährliche Gnade (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bree Despain
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10
    Gnädiges Erbarmen
    Ein paar Minuten später
    Wie durch ein Wunder stand er draußen vor dem Krankenhaus. Der weiße Wolf hockte zwischen den Bäumen hinter dem Parkplatz. Wir sahen uns an, seine im Mondlicht glänzenden Augen hielten meinen Blick gefangen. Wusste er, was gerade geschehen war? War er hier, weil ich ihn brauchte? Wusste er, dass ich den Mondstein jetzt hatte?
    Ich machte einen Schritt auf ihn zu. Er drehte sich um und verschwand im Dickicht. Ich wollte ihm zurufen zu bleiben, durfte jedoch an so einem öffentlichen Ort keine Aufmerksamkeit auf ihn lenken. Ich wollte ihm gerade nachgehen, als Aprils roter Wagen vor mir auftauchte. Slade und Brent warteten im Wageninnern auf mich. Ich hatte Slade nicht mehr gesehen, seit er sich geweigert hatte, mir in das brennende Lagerhaus zu folgen. Ich fragte mich, wie viele Stunden er und Brent wohl hier auf dem Parkplatz gewartet haben mochten.
    »Er will, dass wir dich nach Hause bringen«, rief Brent in feierlichem Ton durch das geöffnete Fenster. Bevor ich weiterging, stopfte ich den Mondstein in die kleine Brusttasche. Nach Talbots Betrug wollte ich ihn niemanden sehen lassen.
    Ich zwängte mich auf den Rücksitz und konnte die düstere Stimmung, die von den beiden Jungs abstrahlte, beinahe riechen. Wahrscheinlich hatten sie erfahren, was mit Marcos geschehen war. Sie hatten ihn viel besser gekannt als ich, und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Also sagte niemand etwas. Slade startete den Wagen und fuhr – dieses Mal wesentlich langsamer – zurück nach Rose Crest.
    Ein Mitglied ihres Rudels war wegen mir gestorben.
    Zwei Menschen waren heute gestorben. Und der Zustand meines Vaters war kritisch.
    Alles ist deine Schuld, brüllte der Wolf in meinem Kopf.
    Wir fuhren in betretenem Schweigen weiter, bis wir unser Viertel erreichten und mir etwas Merkwürdiges auffiel. Obwohl es schon dunkel war, waren fast all unsere Nachbarn vor ihren Häusern. Einige saßen auf ihren Verandastufen, andere standen auf der Straße herum. Es sah aus, als ob sie auf jemanden warteten und nichts Rechtes mit sich anzufangen wussten, bevor diese Person eingetroffen war.
    Ich kurbelte die getönte Scheibe herunter. Mein Blick fiel auf die Headricks, die auf ihrer Veranda saßen und in die Nacht hinausstarrten. Als Jack Headrick mich auf dem Rücksitz von Aprils Wagen entdeckte, stand er auf und gab seiner Frau und seinen Kindern ein Zeichen. Zu meinem Erstaunen folgten sie unserem Wagen die Straße hinunter. Weitere Nachbarn schlossen sich der schweigenden Prozession an.
    »Was ist hier los?«, fragte ich.
    Meine Stimme durchschnitt die Stille und ließ Slade zusammenzucken.
    »Sie wissen es«, sagte Brent. Es war das erste Mal, dass er etwas sagte, nachdem ich in den Wagen gestiegen war. »Den ganzen Nachmittag hat es im Radio Berichte über die Explosion gegeben. Im Fernsehen vermutlich auch. Irgendjemand muss der Presse den Namen deines Vaters verraten haben. Alle wissen, was mit ihm passiert ist.«
    Slade lenkte den Wagen in die Einfahrt unseres Hauses. Die lange Reihe der uns folgenden Menschen wirkte mit einem Mal wie ein Trauerzug. Ich saß da und war völlig unfähig, aus dem Auto zu steigen. Ich wollte ihnen durch das heruntergelassene Fenster zurufen, dass sie verschwinden sollten. Ich wollte sie hier nicht haben. Ich wollte die Anteilnahme in ihren Gesichtern nicht sehen. Wollte ihre Fragen nicht beantworten. Sicher wollten sie alles ganz genau wissen. Wollten wissen, wieso mein Vater in dem Lagerhaus gewesen war. Wollten wissen, was sie für uns tun könnten. Und sie wollten, dass irgendjemand ihre Besorgnis zur Kenntnis nahm.
    Er ist dein Vater. Mit welchem Recht rücken sie dir auf den Leib und tun auch noch so, als hätten sie ihn beinahe verloren?
    Ich öffnete die Wagentür und ging auf das Haus zu, war jedoch darum bemüht, langsam zu laufen. So viele Leute beobachteten mich. Ich wollte nur ins Haus kommen, weg von all diesen Menschen. Doch als ich die Veranda hinaufstieg, ging die Tür auf und April kam heraus. Mit ihrem verweinten und verquollenen Gesicht sah sie aus wie ein nervöser Cockerspaniel. So viel also zum Thema: April aus der Geschichte raushalten. Bevor ich reagieren konnte, kam sie die Stufen heruntergestürzt und schloss mich in eine bärenartige Umarmung, die mich an meinen alten Freund Don Mooney erinnerte.
    »Oh, Liebes, bist du okay?«, fragte sie.
    »Ja«, erwiderte ich und bekam feuchte Augen, weil ihre erste Frage mir gegolten

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