Urbat: Gefährliche Gnade (German Edition)
sein Rudel, sondern Herausforderer aus allen Teilen der Welt nach Rose Crest locken. Du willst doch sicher nicht, dass eure kleine Stadt zur Kampfarena für alle Werwölfe wird, die mich besiegen wollen.«
Nein. Natürlich nicht.
Ich hätte Gabriel gerne noch weitere Fragen gestellt, aber bevor ich sie formulieren konnte, wurden wir beide von einem traurigen und schrecklich lauten Heulen aufgeschreckt, das aus den Wäldern hinter unserem Viertel zu uns herüberklang.
Daniel.
»Oh nein!« Ich stand ruckartig auf. »Bei allem, was heute passiert ist, habe ich etwas Wichtiges vergessen. Ich habe gehört, dass Hilfssheriff Marsh eine Truppe aus Wolfsjägern zusammenstellen will. Sie glauben, dass Pete Bradshaw von einem Wolf angegriffen wurde, und jetzt, da er tot ist … Sie haben sogar Silberkugeln.«
»Eine sehr beunruhigende Entwicklung«, sagte Gabriel, stand auf und stopfte sein Skizzenbuch und ein paar Stifte in seinen Rucksack.
»Ich muss etwas dagegen unternehmen.« Meine Hand bewegte sich zu dem Mondstein in meiner Hemdtasche.
Gabriel legte die Hand auf meinen Arm. »Lass mich nach ihm suchen. Ich könnte einen guten Sprint zum Nachdenken gebrauchen. Und du musst etwas schlafen. Ich werde Daniel finden, ihn in Sicherheit bringen und die ganze Nacht bei ihm bleiben, damit nichts passiert.«
Er warf sich den Rucksack über die Schulter.
»Warte.« Ich zog den Mondstein aus der Tasche und legte ihn auf den Tisch.
Gabriel schnappte nach Luft, als er ihn sah, und streckte die Hand aus. Es juckte ihm in den Fingern, den Stein zu berühren. Ich nickte ihm aufmunternd zu, und er presste seine Finger auf die Oberfläche des Steins. Ich konnte sehen, wie ein Teil seiner Anspannung förmlich aus ihm herausfloss. Es musste für Gabriel ein großes Opfer gewesen sein, seinen Mondsteinring für meinen Bruder aufzugeben. In all den Jahrhunderten war er anscheinend nie so lange ohne einen Mondstein gewesen.
Eine halbe Sekunde verspürte ich den Impuls, den Stein wieder an mich zu reißen. Ich hatte Angst, dass Gabriel ihn mir stehlen könnte, so wie Talbot es getan hatte. Aber als mir klar wurde, dass es nur der Egoismus meines inneren Wolfs war, der mich so fühlen ließ, schüttelte ich den Kopf. Ein paar Augenblicke sah ich schweigend zu, wie Gabriel die Hoffnung verheißende Kraft des Steins in sich aufsaugte.
»Wo hast du ihn gefunden?«, fragte er, nachdem er seine Hand schließlich wieder zurückgezogen hatte.
»Talbot hat ihn vor mir versteckt. Ich habe vorhin erst erfahren, dass er in schon seit gestern bei sich hatte. Ich … ich hatte große Lust, ihm wehzutun, als er es mir gesagt hat.« Vielleicht hatte ich ja wirklich zu viel Zorn in mir. »Nimm ihn mit zu Daniel«, sagte ich. »Ich möchte, dass du ihn damit heilst. Ich weiß nicht, wie ich es machen soll.«
»Ich auch nicht. Zumindest nicht genau, aber ich habe meine Vermutungen. Ich glaube, es funktioniert vielleicht ganz ähnlich wie bei deinem Vater. Man muss die konzentrierte positive Energie auf ihn übertragen, aber dabei den Mondstein als eine Art Filter benutzen. Allerdings bin ich nicht derjenige, der ihn zurückholen kann.«
Gabriel nahm den Stein und gab ihn mir zurück. »Nur du kannst es.«
Ich schloss die Finger um den Stein. Was wäre, wenn ich versuchte Daniel zurückzuverwandeln, aber dabei die Dinge nur noch schlimmer machte, so wie bei meinem Vater? »Warum ich?«
»Es liegt an der Verbindung, die ihr beide spürt. Ich glaube, dass du Daniels Anker bist. Sein Band zu dem Teil, der ihn menschlich macht. Ich glaube, nur du hast die Fähigkeit, seine menschliche Seite zurückzubringen.«
Ich nickte, und mir wurde klar, dass ich das schon länger begriffen hatte. Ich war die Einzige, die es tun könnte – genauso, wie ich die Einzige gewesen war, die Daniel vor einem Jahr vom Fluch des Wolfs hatte befreien können.
Beim ersten Mal, als ich das Band zwischen Daniel und mir bemerkt hatte – das war vor Monaten, als er mich in den Garten der Engel führte – war es so gewesen, als wären wir miteinander verknüpft, als wäre ich seine Rettungsseil. Als wäre ich diejenige, die ihn in Sicherheit ziehen könnte.
»Dein Zorn versucht, dieses Band zu kappen. Daher ist es sogar noch viel wichtiger, dass du so schnell wie möglich lernst, ihn zu beherrschen. Und solange du das nicht geschafft hast, darfst du nicht versuchen, Daniel zurückzuverwandeln – ansonsten fürchte ich, dass du ihn für immer verlierst.«
Ich schluckte und
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