Urbat: Gefährliche Gnade (German Edition)
wusste keine Antwort. Obwohl sich der Mondstein jetzt in meinem Besitz befand, wusste Gabriel, dass ich noch nicht so weit war, ihn zu benutzen.
Auch ich wusste, dass ich noch nicht so weit war.
Daniels Heulen wurde lauter. Vielleicht wusste auch er es.
»Ich muss mich jetzt verabschieden. Heute Nacht werde ich Daniel beschützen, aber morgen bin ich nicht mehr da.« Er stand auf und verbeugte sich vor mir. Sein ganzer Oberkörper neigte sich, und er hatte eine Hand auf sein Herz gelegt, so als würde er einer königlichen Hoheit die Ehre erweisen. »Ich glaube an dich, göttliche Grace. Ich weiß, dass du und Daniel dazu ausersehen seid, den Urbats viel Gutes entgegenzubringen.«
Bevor ich etwas Gegenteiliges darauf erwidern konnte, war er schon aus der Tür verschwunden. Aber ich war dankbar für seine Hilfe, die mir nur noch wenige Stunden zur Verfügung stehen würde.
KAPITEL 12
Die Gleichung
Später am Abend
Dad geht es wegen meines verpfuschten Heilungsversuchs schlechter als vorher
+ Endlich habe ich den Mondstein, weiß aber nicht, wie ich ihn benutzen soll
+ Mein Zorn hat Daniel vertrieben, und ich weiß nicht, wie ich ihn loswerden kann
+ Gabriel, der einzige Mensch, auf den ich mich noch verlassen konnte, muss gehen. Oder meine Stadt wird vielleicht zu einer Kampfzone für Werwölfe
= SO ZIEMLICH DAS PERFEKTE REZEPT ZUM IRREWERDEN
Eine Weile sah ich fern und hoffte, davon müde zu werden, aber es gab nur die lokalen Nachrichten. Ständig kamen neue Live-Berichte über das Feuer im Lagerhaus, das mittlerweile auf den stillgelegten Bahnhof übergegriffen hatte und nun auch andere Gebäude bedrohte. Ab und an wurden die Sendungen von kurzen Berichten über Dads Gesundheitszustand (immer noch kritisch) unterbrochen. Und die einzige andere Nachricht, die sie sendeten, war die über den Tod von Pete Bradshaw. Gerade als ein Reporter der armen Ann Bradshaw vor ihrem Haus ein Mikrofon unter die Nase hielt, klingelte das Telefon. Ich drückte auf den Stumm- Knopf der Fernbedienung und blickte auf die anrufende Nummer im Display des kabellosen Hörers.
Tante Carol.
In der Werkzeugschublade in der Küche hatte ich eine lange Schnur gefunden und sie mit dem Mondstein verknotet, um ihn als Anhänger zu tragen. Jetzt presste ich den Stein an meine Brust und bat um Kraft für das bevorstehende Telefonat.
Tante Carol ließ mich gleich unmissverständlich wissen, dass es meine Pflicht gewesen wäre, sie sofort anzurufen, und dass sie es nicht verdient hätte, die Neuigkeiten über meinen Vater aus den Nachrichten zu erfahren – offensichtlich war die Geschichte über die Explosion sogar bis zu einem so entfernten Ort wie Cincinnati vorgedrungen. Nichtsdestotrotz hatte sich aber gleich darauf ein wie auch immer gearteter mütterlicher Instinkt in meiner Tante gemeldet, und ich hatte alle Mühe ihr auszureden, dass sie sich mit Charity und James auf den Weg machte, um herzukommen.
»Es geht mir gut. Und die Intensivstation würde Charity und James ohnehin nicht reinlassen, weil sie noch unter dreizehn sind. Ich denke, es ist besser, wenn sie da draußen bei dir bleiben. Wahrscheinlich könnten sie es auch nicht so gut verkraften, in seiner Nähe zu sein und trotzdem nicht zu ihm zu dürfen.« Ich wusste, dass dieses Argument meine Schwester nicht würde abhalten können, und überlegte schon, Tante Carol darum zu bitten, die Neuigkeiten gänzlich vor Charity zu verbergen. Andererseits wusste ich aber auch, wie sauer ich sein würde, wenn ich sie gewesen wäre und die Wahrheit schließlich erfahren hätte. Es war nur so, dass ich vor dem Hintergrund der lauernden Gefahren und der vielen Geheimnisse, die aufgedeckt werden könnten, Tante Carol und meine Geschwister im Augenblick wirklich nicht gebrauchen konnte. Ich hatte James einmal versprochen, für seine Sicherheit zu sorgen, und die war momentan am ehesten gewährleistet, wenn ich ihn von mir fernhielt.
Tante Carol hatte den Rest der Familie ganz offensichtlich auch informiert, denn nur fünf Minuten, nachdem ich auflegt hatte, rief Großmutter Kramer aus Florida an. Wenn die akuten Gesundheitsprobleme meines Großvaters nicht gewesen wären, dann hätten beide in kürzester Zeit ebenfalls auf der Matte gestanden.
Als die Telefonate beendet waren, fühlte ich mich immer noch nicht müde und hatte das Bedürfnis, irgendetwas Sinnvolles zu tun. Also lief ich nach oben, machte ein paar meiner Hausaufgaben und versuchte sogar, auch Daniels Stapel von
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