Urbat: Gefährliche Gnade (German Edition)
einen kurzen Moment die Augen – zumindest war er noch bei Bewusstsein. Der Dampf stieg in Schwaden von seiner Haut auf.
Die blasige Wunde an seiner Schulter war mit krustigem Schlamm bedeckt. Ich wollte mich nicht mit irgendetwas infizieren und wusch mir daher sorgfältig Hände und Arme. Dann schöpfte ich ein paar Handvoll des jetzt kühleren Wassers aus der Wanne und ließ es über seine Schulter rinnen. Ich nahm ein Stück Seife und schäumte sie auf. So vorsichtig wie möglich rieb ich über seine verletzte Haut. Daniel stöhnte, als meine Finger die empfindliche Wunde berührten. Nachdem ich allen Schmutz weggewaschen hatte, entdeckte ich eine weitere Verletzung auf der Rückseite seiner Schulter. Es war die Austrittswunde – die Kugel hatte seinen Arm glatt durchschossen. Beide Verletzungen sahen aus, als wären sie durch die Reaktion von Silber mit Werwolffleisch entstanden. Es musste schrecklich wehtun, doch dafür musste ich mir keine Sorgen machen, dass er verblutete.
Ich fuhr mit der Seife über seine Arme, wusch seinen Rücken und seine Brust ab, und versuchte nicht zu viel darüber nachzudenken, dass alles an seinem Körper jetzt größer schien. Daniel hatte immer eine gute Figur gehabt, war jedoch viel schmaler gewesen. Jetzt allerdings waren seine Muskeln größer und fester, als ich sie in Erinnerung hatte. Selbst sein Kinn und die Wangenknochen waren kräftiger geworden. Alles an ihm war perfekt geformt. Adonis höchstpersönlich lag in meiner Badewanne.
Nachdem ich ihn gebadet hatte, gab ich etwas Shampoo auf sein Haar und wusch alles weg, was von dem einwöchigen Aufenthalt im Wald noch übrig geblieben war. Als ich mich über ihn beugte, um ihm sein jetzt sauberes und feuchtes Haar aus der Stirn zu streichen, hob er die Hand und berührte meinen Arm.
Er öffnete seine dunklen Augen und blickte einen Moment lang in meine. »Danke«, sagte er leise durch seine klappernden Zähne. Dann schloss er die Augen wieder und erschauderte in einem neuen krampfartigen Anfall.
Ich legte meine Hand auf seine Stirn. Obwohl das Eis schon längst geschmolzen war, fühlte sich sein Kopf jetzt kalt an.
Hatte ich etwas falsch gemacht?
Es dauerte einen Moment, bis ich mir eine saubere Gymnastikhose und eine kurze Jacke angezogen hatte. Die schmutzigen Sachen warf ich mit einer großen Portion Waschmittel in die Maschine, um so alle Schlammspuren auszulöschen. Dann holte ich Daniel einen Pyjama aus Judes unbenutztem Zimmer. Ich half ihm, die Hose anzuziehen, doch die Jacke wollte er nicht. »Sonst wird mir wieder zu heiß«, brachte er mühsam zwischen seinen blau angelaufenen Lippen hervor. Ich fragte mich, ob ihm wohl ein Kuss beim Aufwärmen helfen könnte. Aber stattdessen legte ich ihm ein Handtuch um den Hals und führte ihn zu meinem Bett. Er schaffte es gerade noch, bevor seine Beine unter ihm nachgaben.
»Ich weiß nicht, ob ich hier alles richtig mache«, sagte ich und wickelte die Bettdecke fest um Daniel. »Vielleicht sollte ich besser Hilfe holen.« Ich wollte ihn nur ungern hier allein zurücklassen, aber wenn er weitere Hilfe brauchte …
»Nein«, sagte er und umklammerte meine Hand. »Bitte bleib bei mir.«
Ich nickte und kroch neben ihn unter die Decke. Dann drückte ich ihn an mich und versuchte, ihn mit meinem eigenen Körper aufzuwärmen. Leider dauerte es nicht lange, bevor er wieder einen Fieberanfall bekam, und ein weiteres Mal musste ich Eis aus der Kühltruhe holen und an seine Stirn pressen. Irgendwann fing er an zu zittern und schrie, hielt sich krampfhaft an der Bettdecke fest, so als wollte ihn eine unsichtbare Kraft fortzerren.
»Bist du sicher, dass ich keine Hilfe holen soll«, rief ich verzweifelt. »Vielleicht könnte Dr. Connors …«
»Geh nicht.« Daniel schüttelte den Kopf. Er fasste nach meinen Armen und drückte mich an seine nackte Brust – presste sich an mich wie ein Ertrinkender an einen Rettungsring. »Ich brauche dich hier heute. Damit ich nicht wieder verschwinde …«
Und plötzlich wurde mir klar, was hier vor sich ging – Daniel litt nicht an einer Krankheit und auch nicht an der Reaktion von Silber mit Werwolffleisch. In seinem Körper tobte ein innerer Kampf.
Daniel kämpfte darum, menschlich zu bleiben.
Ich umarmte ihn und drückte ihn mit aller Kraft an mich – nur ich konnte ihm dabei helfen, dass er diesen Kampf überlebte.
KAPITEL 19
Engel
Mittwochmorgen
Ich ließ Daniel nicht wieder los. Ich hielt ihn fest, während sich in seinem
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