Urbat: Gefährliche Gnade (German Edition)
wissen, dass April sich so viele Gedanken machte.
»Ich hab sogar ein paar Sachen für Daniel zusammengestellt … du weißt schon, nur für den Fall, dass er sich wieder in einen Menschen zurückverwandeln würde.« Sie hob etwas vom Bett auf, das nach einem Bündel schwarzem Leder aussah, und reichte es Daniel. »Übrigens schön, dass du wieder da bist.« Sie lächelte ihn an.
»Danke«, erwiderte Daniel und faltete das Bündel auseinander. Es entpuppte sich als langer schwarzer Ledermantel. »Damit kann ich was anfangen«, sagte er.
»Hat im Second-Hand-Laden nur fünfundzwanzig Dollar gekostet. Ist das zu glauben? Kombinier den Mantel mit einer schwarzen Hose und einem schwarzen Hemd, und du bist absolut startklar.« April nahm einen anderen Stapel mit Klamotten und reichte ihn mir. »Grace hingegen braucht etwas mehr Pep.«
»Aber das sind Shorts aus Kunstleder«, sagte ich und zog ein Paar schwarze Hotpants aus dem Stapel.
»Man trägt sie mit Netzstrümpfen.« Sie reichte mir ein Paar sowie ein schwarzes Spitzenbustier.
»Und eine Jacke hab ich auch für dich.«
»Ja. Aber. Das. Sind. Kunstleder . Shorts.«
»Und. Man. Trägt. Sie. Mit. Netzstrümpfen«, erwiderte sie, als hätte ich sie beim ersten Mal nicht richtig verstanden. Sie schob mich ins Badezimmer, damit ich mich umziehen konnte.
Daniel grinste breit über das ganze Gesicht.
Kurz vor Mitternacht
Daniel war seltsam ruhig, als ich den Corolla – angesichts meiner sehr kurzen Shorts wäre es zu kalt für das Motorrad gewesen – über die alte Landstraße lenkte, die zur Frightmare Farm außerhalb von Rose Crest führte. Die Jungen folgten in Aprils rotem Wagen, den ich aus Rache für meinen lächerlichen Aufzug beschlagnahmt hatte.
Kurz nach der Geschichte mit den Kunstledershorts war Daniel immer verschlossener geworden, weil wir bald aufbrechen und Pete auf dieser Trance-Party aufspüren sollten. Er hatte nicht einmal protestiert, als April darauf bestand, dass er diese schwarze Maske tragen sollte, die sie irgendwo von einem Zorro-Kostüm abgemacht und geklaut hatte. Die perfekte Betonung seines düsteren, toughen Outfits, wie sie meinte.
Erst dachte ich mir, dass er genervt war, weil ich mich mit Talbot hatte treffen müssen, um an die Informationen zu kommen. Aber die Art und Weise, wie er aus dem Seitenfenster starrte, ließ mich vermuten, dass etwas anderes an ihm nagte.
Ich parkte auf einem mit Autos vollgestellten Feld neben dem heruntergekommenen ›Geisterhaus‹.
Seltsam schlaffe Vogelscheuchen standen vor dem Haupttor, und Teile des Hausdachs sowie der angebauten Scheune sahen aus, als würden sie jeden Moment einstürzen. Ich wusste von früher, dass sich hinter dem Haus ein Maisfeld in der Größe von gut einem Hektar erstreckte. Aufgrund der einsamen Lage konnte ich gut verstehen, wieso sich die Akhs diesen Ort als Schauplatz für ihre gespenstische Trance-Party ausgesucht hatten. Und gemessen an den Horden von Teenagern, die zur Farm strömten, würden sie eine ziemlich gute Ausbeute machen.
»Alles in Ordnung?«, fragte ich, als ich den Schlüssel aus dem Zündschloss zog.
Daniel zuckte mit den Schultern.
»Tut mir leid, dass du in diesen ganzen Mist hineingezogen wirst. Und es tut mir leid, dass du Talbot begegnen musstest.«
»Darum geht es nicht.« Daniel seufzte schwer und fuhr sich mit der Hand durch sein blondes Haar. »Weißt du, ich hab den ganzen Tag versucht, nicht daran zu denken. Einfach weiterzumachen und zu tun, was getan werden muss. Es ist nur, dass … sie hat mich angesehen, als wäre ich ein Monster.«
»Wer?« Ich hatte bei April nichts Derartiges bemerkt.
»Charity.« Er blickte auf seine muskulösen Hände. »Nachdem ich vom Fluch befreit wurde und bevor meine Kräfte zurückkamen – und ich endlich einmal ganz normal war – dachte ich eine Zeit lang, dass mich nie wieder jemand auf diese Art ansehen würde. Oder mich als Monster bezeichnen würde. Aber jetzt weiß ich nicht mal, was ich überhaupt noch bin … Vielleicht ist ja ›Monster‹ alles, was ich je sein werde.«
»Daniel.« Ich legte meine Hand auf seine Schulter. »Du bist kein Monster. Und nein, du bist nicht länger normal . Aber das bist du auch nie gewesen.«
Er zuckte zusammen. Normal zu sein hatte sich Daniel immer mehr als alles andere gewünscht. Normal bedeutete Trenton, eine Familie, ein ganz gewöhnliches Leben. Und ich war voller Zuversicht, dass er sowohl das als auch noch viel mehr bekommen könnte.
»Du
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