Urbi et Orbi
Stromstoß abgekriegt. Wenn ihr noch näher dran gewesen wärt, wärt ihr jetzt beide tot. Du hast nichts gebrochen, aber eine hässliche Beule und einen Schnitt am Hinterkopf.«
Die Tür ging auf, und ein bärtiger Mann mittleren Alters trat ein. »Wie geht es dem Patienten?«, fragte er auf Englisch . » Ich bin der Arzt, der Sie behandelt hat, Hochwürden. Wie fühlen Sie sich jetzt?«
»Als wäre ich unter eine Lawine geraten«, antwortete Michener.
»Das glaube ich Ihnen sofort. Aber es wird sich bessern. Sie haben einen kleinen Schnitt, aber keinen Schädelbruch. Ich würde Ihnen dennoch nach Ihrer Heimkehr noch einmal ein e g ründliche Untersuchung empfehlen. Wenn man bedenkt, was Ihnen zugestoßen ist, haben Sie ziemlich viel Glück gehabt.«
Nach einer kurzen Untersuchung und einigen weiteren Ratschlägen verließ der Arzt den Raum wieder.
»Woher weiß er, dass ich Priester bin?«
»Ich musste dich identifizieren. Du hast mir einen riesigen Schreck eingejagt.«
»Wie steht es mit dem Konklave?«, fragte er. »Hast du irgendwas gehört?«
»Typisch. Das Erste, woran du denkst.«
»Interessiert es dich denn nicht?«
Doch, neugierig war sie schon. »Vor einer Stunde gab es noch nichts Neues.«
Sie ergriff seine Hand. Er drehte den Kopf zu ihr und sagte : » Ich wünschte, ich könnte dich sehen.«
»Ich liebe dich, Colin.« Jetzt, wo sie es gesagt hatte, fühlte sie sich besser.
»Und ich liebe dich, Kate. Das hätte ich dir schon vor Jahren sagen sollen.«
»Ja, wirklich.«
»Ich hätte vieles anders machen sollen. Jetzt weiß ich jedenfalls, dass ich in Zukunft nicht mehr ohne dich sein möchte.«
»Und was ist mit Rom?«
»Ich habe alles erledigt, was ich versprochen hatte. Das ist für mich jetzt abgehakt. Ich möchte mit dir nach Rumänien gehen.«
Sie war froh, dass er sie nicht weinen sehen konnte, und wischte sich die Tränen weg. »Wir werden dort Gutes tun«, sagte sie und unterdrückte ein Beben in ihrer Stimme.
Er drückte ihre Hand fester.
Und sie genoss das Gefühl.
51
Vatikanstadt, 11.45 Uhr
V alendrea nahm die Gratulationen der Kardinäle entgegen und zog sich dann in einen weiß getünchten, kleinen Nebenraum der Sixtinischen Kapelle zurück, der den Namen Tränenkammer trug. Dort waren die Papstgewänder aus dem Hause Gammarelli ordentlich nebeneinander aufgehängt. Gammarelli selbst erwartete ihn.
»Wo ist Hochwürden Ambrosi?«, fragte Valendrea die zu seinem Dienst bestellten Priester.
»Hier, Heiliger Vater«, antwortete der Gesuchte und betrat die Kammer. Der Klang dieser Worte aus dem Mund seines Gefolgsmanns gefiel Valendrea sehr.
Nachdem er die Sixtinische Kapelle verlassen hatte, war die Geheimhaltungspflicht des Konklave zu Ende. Die Haupttüren waren weit geöffnet worden, und weißer Rauch stieg über dem Dachfirst empor. Inzwischen sprach man im ganzen Palast von seiner Namenswahl: Petrus II. Man würde gewiss über diese Entscheidung staunen, und die Kirchenbeobachter würden sich über seine Kühnheit wundern. Vielleicht würde es ihnen dieses eine Mal die Sprache verschlagen.
»Sie sind von jetzt an Privatsekretär des Papstes«, sagte Valendrea, während er sich die purpurrote Soutane auszog . » Das ist meine erste Ernennung.« Er lächelte, weil er nun sein unter vier Augen gegebenes Versprechen erfüllen konnte.
Ambrosi senkte dankend den Kopf.
Er zeigte auf die Gewänder, die er schon am Vortag heimlich besichtigt hatte: »Diese Garnitur hier dürfte passen.«
Der Schneider griff nach den ausgewählten Kleidungsstücken und reichte sie Valendrea mit den Worten: » Santissimo Padre. «
Valendrea akzeptierte diese allein dem Papst vorbehaltene Anrede und sah zu, wie seine Kardinalsgewänder zusammengelegt wurden. Er wusste, dass man sie reinigen und aufbewahren würde, denn die Tradition verlangte, dass dieses Kleidungsstück nach seinem Tod an das nachfolgende Oberhaupt des Valendrea-Clans weitergereicht wurde.
Valendrea legte die weiße Leinensoutane an und knöpfte sie zu. Gammarelli kniete sich vor ihm nieder und heftete den Saum mit Nadel und Faden. Für die nächsten Stunden würde diese provisorische Naht genügen. Danach würde eine maßgeschneiderte Garnitur für ihn bereitliegen.
Er überprüfte den Sitz. »Ein bisschen zu eng. Machen Sie sie weiter. «
Gammarelli machte die Naht auf und begann von neuem.
»Vernähen Sie den Faden aber auch ordentlich.« Dass irgendwelche Nähte aufgingen, war wirklich das Letzte, was er
Weitere Kostenlose Bücher