Urbi et Orbi
Freundschaften noch fester zusammen. Die nächsten Stunden mochten seinem Freund durchaus enorme Befriedigung verschaffen.
»Ich werde Sie nicht enttäuschen, Heiliger Vater«, sagte Ambrosi leise.
»Nicht um mich soll es Ihnen hier zu tun sein. Wir handeln im Auftrag des Herrn, und es steht viel auf dem Spiel. Ungeheuer viel.«
61
Bamberg, Deutschland
Freitag,1. Dezember
10.00 Uhr
M ichener schlenderte durch die gepflasterten Straßen und verstand rasch, wieso Jakob Volkner Bamberg so geliebt hatte. Er selbst war bisher nie in Bamberg gewesen. Volkner war einige wenige Male heimgereist, aber immer allein. Für das kommende Jahr hatten sie eine Papstreise durch mehrere deutsche Städte geplant. Volkner hatte Michener erzählt, wie sehr er sich darauf freute, das Grab seiner Eltern zu besuchen, eine Messe im Dom zu lesen und alte Freunde wiederzusehen. Seine Vorfreude auf diese Reise ließ seinen Selbstmord noch rätselhafter erscheinen, denn die Reiseplanung war zum Zeitpunkt von Clemens ’ Tod schon recht weit fortgeschritten gewesen.
Bei Bamberg mündete die rasch fließende Regnitz in den gewundenen Main. Auf der kirchlich dominierten Seite der Regnitz thronten die königliche Residenz, das Kloster und der Dom weithin sichtbar auf den Hügeln. Auf den bewaldeten Hügelkuppen hatten früher einmal die Fürstbischöfe residiert. Am Fuße der Hügel und am anderen Ufer der Regnitz erstreckten sich die eher weltlichen Stadtteile Bambergs; hier hatten schon immer Handel und Finanzen den Ton angegeben. Die symbolische Begegnung dieser beiden Teile Bambergs fand im Fluss statt, wo einfallsreiche Stadtväter vor Jahrhunderten ein Rathaus errichtet hatten, einen mit bunten Fresken geschmückten Fachwerkbau. Das Bamberger Rathaus stand auf einer Insel zwischen den beiden städtischen Bereichen, und die steinerne Brücke, die den Fluss überspannte, teilte das Gebäude und verband die Welten.
Katerina und Michener waren von Rom nach München geflogen und hatten die Nacht in der Nähe des Flughafens verbracht. Früh am Morgen hatten sie einen Leihwagen genommen und waren gute zwei Stunden lang durch Oberbayern und das bergige Franken gefahren. Jetzt standen sie auf dem Maxplatz, wo gerade Wochenmarkt war. An weiteren Ständen waren Vorbereitungen für den Weihnachtsmarkt im Gange, der am Nachmittag öffnen würde. Micheners Lippen waren rissig von der Kälte. Hin und wieder kam die Sonne durch, und der Wind fegte Schnee über den Bürgersteig. Katerina und er waren nicht auf die Kälte vorbereitet gewesen und hatten eben in einem Geschäft Mäntel, Handschuhe und Lederstiefel gekauft. Zu seiner Linken warf die Martinskirche einen langen Schatten über das Gedränge auf dem Platz. Michener hatte sich dafür entschieden, den dortigen Pfarrer nach Irma Rahn zu fragen. Dieser konnte ihnen auf Anhieb weiterhelfen und meinte, die Gesuchte sei vielleicht in der Gangolfskirche zu finden, die einige Straßen weiter nördlich jenseits eines Kanals läge.
Dort trafen sie Irma Rahn tatsächlich an. Unter dem klagenden Blick eines Christus am Kreuz machte sie sich in einer der Seitenkapellen zu schaffen. Es roch nach Weihrauch und einem Hauch von Bienenwachs. Irma Rahn war eine zierliche, kleine Frau mit blassem Teint und feinen Gesichtszügen, die noch immer mühelos erkennen ließen, wie schön sie in jungen Jahren gewesen sein musste. Hätte er nicht gewusst, dass sie auf die achtzig zuging, hätte er geschworen, sie könne nicht älter als Mitte sechzig sein.
Sie sahen der alten Frau zu, die jedes Mal das Knie beugte, wenn sie vor dem Kruzifix vorbeikam. Michener trat vor und passierte ein geöffnetes Türgitter. Ein merkwürdiges Gefühl überkam ihn. Mischte er sich in etwas ein, was ihn eigentlich nichts anging? Doch er verwarf diesen Gedanken rasch wieder. Schließlich hatte Clemens selbst ihn hierher geführt.
»Sind Sie Irma Rahn?«, fragte er auf Deutsch.
Sie wandte sich ihm zu. Das silbrige Haar fiel ihr auf die Schultern. Ihre Wangenknochen und die blasse Haut waren frei von Make-up. Das runzlige Kinn war fein und rund, der Blick warm und mitfühlend.
Sie trat auf ihn zu und sagte: »Endlich sind Sie da. Ich habe schon auf Sie gewartet. «
»Woher wissen Sie denn, wer ich bin? Wir sind uns doch nie persönlich begegnet!«
»Aber ich kenne Sie trotzdem.«
»Sie haben mich erwartet?«
»O ja. Jakob hat gesagt, Sie würden kommen. Und er hatte immer Recht … insbesondere, wenn es um Sie ging.«
Plötzlich
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