Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Urbi et Orbi

Urbi et Orbi

Titel: Urbi et Orbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
Vom Netzwerk:
bedrängt, so viel wie möglich über die Umstände von Clemens ’ Tod in Erfahrung zu bringen. Was um alles in der Welt war hier los? Verschwundene Dokumente, Seherinnen, die mit Maria sprachen, und ein Papst, der sich das Leben nahm, nachdem er über sechs Jahrzehnte heimlich eine Frau geliebt hatte. Das alles war nahezu unglaublich.
    Sie trat aus dem Gasthaus, knöpfte ihren Mantel zu und beschloss, in Richtung Maxplatz zu gehen und sich ihren Frust von der Seele zu laufen. Überall in der Stadt läutete es Mittag. Katerina wischte sich den Schnee aus dem Haar. Immer mehr Flocken fielen herab. Die Luft war schneidend kalt und so düster wie ihre Stimmung.
    Irma Rahn hatte ihr eine neue Perspektive eröffnet. Während sie selbst Michener vor Jahren zu einer Entscheidung gezwungen und damit die für beide Seiten schmerzhafte Trennung herbeigeführt hatte, hatte Irma einen weniger selbstsüchtigen Weg eingeschlagen, der von Liebe statt Vereinnahmung zeugte. Vielleicht hatte die alte Frau ja Recht. Die sexuelle Beziehung war gar nicht so wichtig. Was wirklich zählte, war die innere Nähe.
    Katerina fragte sich, ob Michener und sie wohl eine ähnliche Beziehung hätten leben können. Wahrscheinlich nicht. Die Zeiten hatten sich geändert. Und doch war sie nun wieder mit demselben Mann zusammen und befand sich anscheinend wieder auf demselben mühsamen Pfad. Die Liebe ging verloren, wurde wiedergefunden, dann geprüft und dann … ja, das war die Frage. Und dann?
    Sie marschierte weiter, fand den großen Platz, überquerte einen Kanal und erblickte die beiden Zwiebeltürme der Gangolfskirche.
    Das Leben war so verdammt kompliziert.
    Noch immer hatte sie den Mann vor Augen, der sich gestern Abend mit gezücktem Messer auf Michener gestürzt hatte. Ohne zu zögern hatte sie ihn angegriffen. Danach hatte sie vorgeschlagen, zur Polizei zu gehen, doch Michener hatte abgelehnt. Jetzt verstand sie, warum: Er konnte nicht das Risiko eingehen, dass der Selbstmord des Papstes bekannt wurde. Jakob Volkner bedeutete ihm so viel. Vielleicht zu viel. Und jetzt verstand sie auch, warum Michener nach Bosnien gereist war – er hatte die Antwort auf Fragen gesucht, die sein alter Freund hinterlassen hatte. Offensichtlich konnte Michener dieses Kapitel in seinem Leben nicht abschließen, weil der Schluss erst noch gefunden werden musste. Ob das wohl jemals gelingen würde?
    Sie ging weiter und stand plötzlich wieder vor dem Portal der Gangolfskirche. Die Wärme dort drinnen lockte sie, also trat sie ein – und sah, dass das Gitter der Seitenkapelle, wo Irma geputzt hatte, noch immer offen stand. Sie ging daran vorbei und blieb vor einer anderen Seitenkapelle stehen. Eine Statue der Jungfrau Maria blickte mit dem Stolz einer liebenden Mutter auf das Jesuskind in ihren Armen herab. Es war eine Darstellung aus dem Mittelalter, und Maria war eine blütenweiße Europäerin, doch man hatte sich weltweit daran gewöhnt, die Muttergottes in dieser Gestalt anzubeten. Maria hatte in Israel gelebt, wo die Sonne heiß war und die Menschen dunkelhäutig. Sie musste semitische Gesichtszüge gehabt haben, dunkles Haar und einen kräftigen Körper. Doch so hätten die europäischen Katholiken sie niemals akzeptiert. Also hatte man ein vertrauteres Frauenbild geschaffen – und die Kirche hatte seitdem daran festgehalten.
    Ob Maria wirklich Jungfrau gewesen war? Hatte der Heilige Geist ihren Schoß mit dem Sohn Gottes gesegnet? Selbst wenn es so war, hatte Maria mit Sicherheit selbst die Entscheidung getroffen. Nur sie allein konnte der Schwangerschaft zugestimmt haben. Warum aber führte die Kirche dann diesen Feldzug gegen Abtreibung und Geburtenkontrolle? Wann hatten die Frauen das Recht verloren, selbst zu entscheiden, ob sie ein Kind zur Welt bringen wollten? Hatte nicht Maria dieses Recht begründet? Was, wenn sie sich geweigert hätte? Wäre sie dann trotzdem gezwungen worden, das göttliche Kind auszutragen?
    Katerina hatte all diese Fragen satt. Auf die meisten gab es ja doch keine Antwort. Sie wandte sich zum Gehen.
    Keinen Meter von ihr entfernt stand Paolo Ambrosi.
    Katerina schrak zusammen.
    Da stürzte er sich auf sie, wirbelte sie herum und schob sie in die Kapelle, in der die Jungfrau stand. Er stieß sie gegen die Steinmauer und verdrehte ihr den linken Arm auf dem Rücken. Mit der anderen Hand packte er sie im Nacken. Ihr Gesicht wurde gegen den rauen Stein gedrückt.
    »Ich hatte mir schon Gedanken gemacht, wie ich Sie vo n M

Weitere Kostenlose Bücher