Urbi et Orbi
Bitte nicht nachkommen können oder wollen, bitte ich Sie, den Brief zu vernichten und nach Rom zurückzukehren.«
Michener nahm den Umschlag entgegen. »Ich verstehe, Heiliger Vater. «
»Der gute Kardinal Bartolo ist ungemein zuvorkommend, nicht wahr?« Diese Frage stellte er lächelnd.
»Er wird sich wohl kaum die dreihundert Ablässe verdient haben, die man mit dem Küssen des päpstlichen Rings erwirbt. «
Eine alte Tradition wollte, dass jeder, der den Papstring hingebungsvoll küsste, einen Sündennachlass erhielt. Michene r h atte sich oft gefragt, ob es den Päpsten des Mittelalters, die diese Belohnung versprochen hatten, um die Vergebung der Sünden gegangen war oder einfach nur darum, dass sie mit angemessenem Eifer verehrt wurden.
Clemens kicherte. »Ich schätze, dreihundert vergebene Sünden dürften dem Kardinal nicht reichen. Er ist einer von Valendreas engsten Verbündeten. Wenn der Mann aus der Toskana sich den Papststuhl gesichert hat, könnte Bartolo sogar das Amt des Staatssekretärs bekommen. Allerdings kann dieser Gedanke einem Angst machen. Bartolo ist ja schon als Bischof dieses Doms überfordert.«
Dies hier sollte wohl eine Art offenes Gespräch werden, und so nahm Michener sich eine Bemerkung heraus: »Sie werden beim nächsten Konklave jeden Freund gebrauchen können, um das zu verhindern.«
Clemens verstand ihn sofort: »Sie wollen das Birett, nicht wahr?«
»Das wissen Sie doch.«
Der Papst zeigte auf den Umschlag. »Erledigen Sie das hier für mich. «
Michener fragte sich, ob sein Botengang nach Rumänien irgendwie mit der Berufung zum Kardinal verbunden war, verwarf den Gedanken aber schnell wieder. Das war nicht Jakob Volkners Art. Allerdings war der Papst ihm ausgewichen, und nicht zum ersten Mal. »Sie wollen mir immer noch nicht sagen, was Ihnen Sorgen bereitet?«
Clemens trat zu den Messgewändern. »Glauben Sie mir, Colin, das wollen Sie gar nicht wissen.«
»Vielleicht kann ich Ihnen ja helfen.«
»Sie haben mir noch gar nicht von Ihrer Begegnung mit Katerina Lew erzählt. Wie war es nach all diesen Jahren?«
Wieder ein Themenwechsel. »Wir haben kaum etwas gesprochen. Und die Stimmung zwischen uns war sehr angespannt.«
Neugierig runzelte Clemens die Stirn. »Warum haben Sie es so weit kommen lassen?«
»Sie ist eigensinnig. Und sie hat sehr entschiedene Ansichten zur Kirche.«
»Na ja, das kann man ihr nicht übel nehmen, Colin. Wahrscheinlich hat sie Sie geliebt, vergeblich geliebt. Einen Mann an eine Frau zu verlieren mag noch angehen, aber an Gott … Das ist möglicherweise schwer zu akzeptieren. Es tut weh, seine Liebe zu unterdrücken.«
Wieder wunderte Michener sich über Clemens ’ Interesse an seinen persönlichen Angelegenheiten. »Das spielt jetzt keine Rolle mehr. Sie lebt ihr Leben, und ich lebe meins.«
»Aber das bedeutet doch nicht, dass Sie einander keine Freunde sein können. Reden Sie miteinander, dann werden Sie sehen, wie nahe man sich kommen kann, wenn man sich wirklich füreinander interessiert. Diese Freude verbietet die Kirche uns ja nun nicht.«
Einsamkeit war eine Berufskrankheit, die jeden Priester bedrohte. Michener hatte Glück gehabt – als seine Beziehung mit Katerina gescheitert war, war Volkner zur Stelle gewesen, hatte ihm zugehört und ihn von seinen Sünden freigesprochen. Seltsamerweise sollte Tom Kealy für ein ähnliches Vergehen exkommuniziert werden. Erklärte das vielleicht Clemens ’ Interesse an Kealy?
Der Papst trat zu einem der Kleidergestelle und befühlte die farbenprächtigen Roben. »Als Kind in Bamberg war ich Messdiener. Ich erinnere mich gerne an diese Zeit zurück. Es war in der Nachkriegszeit, und der Wiederaufbau war in vollem Gang. Zum Glück hatte der Dom die Luftangriffe überstanden. Mir kam es immer wie ein Zeichen vor, dass unser e K irche all dieses von Menschen heraufbeschworene Grauen unbeschadet überstanden hat.«
Michener erwiderte nichts. Gewiss wollte Clemens auf irgendetwas anderes hinaus. Warum sollte er alle warten lassen für ein Gespräch, das keineswegs unaufschiebbar wirkte?
»Ich habe den Dom geliebt«, fuhr Clemens fort. »Er war Teil meiner Jugend. Noch heute habe ich den Kirchenchor in den Ohren. Das war wirklich erhebend. Ich wünschte, ich könnte dort begraben werden. Aber das ist wohl leider unmöglich. Ein Papst muss im Petersdom ruhen. Wer wohl diese Regel aufgestellt hat?«
Clemens ’ Stimme wirkte distanziert. Michener fragte sich, mit wem er eigentlich
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