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Urbi et Orbi

Urbi et Orbi

Titel: Urbi et Orbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
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bronzene Kassette aus einem Schränkchen. Sein Vater hatte ihm dieses Kästchen zu seinem siebzehnten Geburtstag geschenkt. Seitdem hob er alles Kostbare darin auf , darunter Fotos seiner Eltern, Besitzurkunden, Aktien, sein erstes Messbuch und einen Rosenkranz von Johannes Paul II.
    Er griff unter sein Gewand und fand den Schlüssel, der um seinen Hals hing. Er öffnete den Deckel und ging den Inhalt bis ganz unten durch. Die zwei zusammengefalteten Seiten, die er in jener Nacht des Jahres 1978 aus der Riserva mitgenommen hatte, waren noch immer da. Die eine war auf Portugiesisch, die andere auf Italienisch verfasst. Dort lag die Hälfte des dritten Geheimnisses von Fatima.
    Er nahm die beiden Seiten heraus.
    Er konnte sich nicht überwinden, den Text nochmals zu lesen. Einmal war mehr als genug. Daher ging er ins Bad, zerriss beide Blätter in winzige Fetzen, warf sie in die Toilettenschüssel und spülte.
    Weg waren sie.
    Endlich.
    Jetzt musste er nur noch in die Riserva zurückkehren und Tibors letzte Kopie vernichten. Doch damit musste er bis nach Clemens ’ Tod warten. Außerdem musste er mit Ambrosi reden. Vor einer Stunde hatte er dessen Handy angeklingelt, aber erfolglos. Jetzt nahm er das schnurlose Telefon von der Badezimmerablage und versuchte es erneut.
    Ambrosi nahm ab.
    »Wie ist es gelaufen?«, fragte der Staatssekretär seinen Helfer.
    »Ich habe gestern Abend mit unserem Engel geredet. Viel war nicht zu erfahren. Heute muss sie mehr leisten.«
    »Vergessen Sie das. Was wir ursprünglich vorhatten, ist unwichtig geworden. Ich brauche etwas anderes.«
    Er musste sich vorsichtig ausdrücken, da auch ein Handy mühelos abgehört werden konnte.
    »Hören Sie zu«, sagte er.
    24
    Bukarest, 6.45 Uhr
     
    M ichener zog sich an und warf dann Toilettenartikel und schmutzige Wäsche in seine Reisetasche. Er fühlte sich zerrissen, ein Teil seiner selbst wäre am liebsten nach Zlatna zurückgefahren und hätte sich um diese Kinder gekümmert. Der Winter war nicht mehr fern, und Hochwürden Tibor hatte ihnen am Vorabend erzählt, was für ein Kampf es schon war, nur die Heizung am Laufen zu halten. Im letzten Jahr hatten sie zwei Monate mit eingefrorenen Rohren durchstehen müssen und in improvisierten Öfen alles an Holz verbrannt, was sie im Wald auftreiben konnten. Dieser Winter sollte wohl besser werden, dachte Michener. Handwerker einer Hilfsorganisation hatten den ganzen Sommer über das uralte Heizungssystem repariert.
    Tibor hatte gesagt, sein innigster Wunsch sei, im nächsten Vierteljahr keines der Kinder zu verlieren. Im vergangenen Jahr waren drei Kinder gestorben und auf einem Friedhof unmittelbar hinter der Mauer begraben worden. Michener fragte sich, welchen Sinn all dieses Leiden hatte. Er selbst hatte Glück gehabt. Die irischen Entbindungsheime hatten sich das Ziel gesetzt, ein Zuhause für die Kinder zu finden. Die Kehrseite war, dass die Mütter für immer von ihren Kindern getrennt worden waren. Was musste das für ein Bürokrat gewesen sein, der damals im Vatikan dieses groteske Arrangement abgesegnet hatte, ohne einen Moment lang darüber nachzudenken, wie viel Schmerz damit verbunden war. Die politische Maschinerie der römisch-katholischen Kirche konnte einen auf die Palme bringen. Zweitausend Jahre lan g h atte dieses Räderwerk sich unverzagt gedreht, ohne sich von der protestantischen Reformation, den Ungläubigen, dem Schisma oder der Plünderung Napoleons erschüttern zu lassen. Warum fürchtete die Kirche sich dann vor etwas, das ein Hirtenmädchen aus Fatima zu sagen hatte? War so etwas nicht vollkommen bedeutungslos?
    Anscheinend nicht.
    Er warf sich die Reisetasche über die Schulter und ging nach unten zu Katerinas Zimmer. Sie waren vor seinem Aufbruch zum Flughafen zum Frühstück verabredet. Zwischen Tür und Rahmen steckte ein Zettel. Er zog ihn heraus.
     
    C olin:
     
    I ch hielt es für besser, dass wir uns heute Vormittag nicht mehr sehen. Ich wollte, dass wir den gestrigen Abend unverdorben in Erinnerung behalten: Zwei alte Freunde, die das Vergnügen hatten, sich noch einmal zu sehen. Ich wünsche dir viel Erfolg in Rom. Du verdienst ihn.
    Immer die Dein e
    K ate
     
    E inerseits war er erleichtert. Er hatte wirklich nicht gewusst, was er ihr sagen sollte. In Rom ließ sich ihre Freundschaft unmöglich fortführen. Um seine Karriere zu ruinieren, genügte schon die winzigste Andeutung von etwas Ungehörigem. Aber er war froh, dass sie sich im Guten trennten.

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