Urbi et Orbi
Valendrea war froh, dass er einen dicken Wollmantel dabei hatte. Wie Ambrosi trug er einfache Straßenkleidung. Dies hier war kein offizieller Besuch, und er wollte auf keinen Fall erkannt werden. Es war gefährlich hierher zu kommen, aber er musste das Risiko eingehen.
»Was ist mit der Grenze?«
»Schon erledigt. Ein Vatikanpass zählt hier etwas.«
Sie stiegen in die wartende Limousine. Ambrosi fuhr, und Valendrea saß allein auf dem Rücksitz. Sie fuhren nach Norden, weg von Bukarest und über halb verfallene Straßen in Richtung der Berge. Dies war Valendreas erster Besuch in Rumänien. Er wusste, dass Clemens gerne eine offizielle Reise in dieses problembeladene Land unternommen hätte, doch jeder Besuch würde warten müssen, bis Valendrea am Ruder war.
»Er fährt jeden Samstagabend zum Beten hier heraus«, hörte er Ambrosis Stimme vom Fahrersitz. »Bei jedem Wetter. Ob heiß oder kalt. Das hält er schon seit Jahren so.«
Valendrea nahm die Information mit einem Nicken zur Kenntnis. Ambrosi war so gründlich gewesen wie immer.
Beinahe eine Stunde lang fuhren sie schweigend. Die Straße stieg immer stärker an und verlief schließlich in Haarnadelkurven einen steilen, bewaldeten Berghang hinauf. Auf der Kuppe angekommen, hielt Ambrosi behutsam auf dem holprigen Straßenrand und stellte den Motor aus.
»Dort den Pfad hinunter«, sagte Ambrosi und zeigte durch die beschlagene Seitenscheibe auf einen dunklen Weg zwischen den Bäumen.
Im Scheinwerferlicht bemerkte Valendrea einen zweiten Wagen, der vor ihnen parkte. »Warum kommt er hierher?«
»Wie ich hörte, betrachtet er diese Stelle als heilig. Im Mittelalter wurde die Kirche hier von den Einheimischen genutzt. Als die Türken einfielen, sperrten sie die Dorfbewohner darin ein und verbrannten sie bei lebendigem Leibe. Anscheinend schöpft er Kraft aus ihrem Märtyrertum.«
»Ich muss Ihnen etwas sagen«, erklärte Valendrea Ambrosi. Sein Assistent saß auf dem Fahrersitz, den Blick starr nach vorn gerichtet. »Wir werden jetzt eine Grenze überschreiten, aber das lässt sich nicht ändern. Es steht viel auf dem Spiel. Ich würde Sie nicht darum bitten, wenn es für die Kirche nicht von größter Bedeutung wäre.«
»Sie brauchen nichts zu erklären«, antwortete Ambrosi leise . » Es genügt, dass Sie es sagen.«
»Ich bin von Ihrem Vertrauen beeindruckt. Aber Sie sind Gottes Soldat, und ein Krieger sollte wissen, wofür er kämpft. Darum will ich Ihnen erzählen, was ich weiß.«
Sie stiegen aus. Ambrosi ging voran. Der Himmel war wie aus Samt, und der Mond, beinahe voll, warf ein bleiches Licht. Sie gingen in den Wald, und nach fünfzig Metern tauchten die dunklen Schemen einer Kirche vor ihnen auf. Valendrea bemerkte die alten Fensterrosetten und den Glockenturm. Die Steine zeichneten sich nicht mehr einzeln ab, sondern schienen fugenlos ineinander überzugehen. Von drinnen fiel kein Licht durch die Fenster.
»Hochwürden Tibor«, rief Valendrea auf Englisch.
In der Tür erschien eine schwarze Silhouette. »Wer ist da?«
»Ich bin Alberto Kardinal Valendrea. Ich komme aus Rom, um mich mit Ihnen zu unterhalten.«
Tibor trat aus der Kirche. »Erst der Privatsekretär des Papstes, jetzt der Kardinalstaatssekretär. Welche Ehre für einen bescheidenen Priester. «
Valendrea war sich nicht sicher, ob der respektvolle Ton ernst gemeint oder ironisch war. Er hielt ihm die Hand mit der Handfläche nach unten hin, und Tibor kniete sich vor ihm nieder und küsste den Ring, den er trug, seit Johannes Paul II. ihn zum Kardinal erhoben hatte. Er wusste den Gehorsam des Priesters zu schätzen.
»Bitte, Hochwürden, stehen Sie auf. Wir müssen miteinander reden.«
Tibor erhob sich. »Ist meine Botschaft denn schon zum Papst gelangt?«
»Jawohl, und der Papst ist Ihnen dankbar. Doch er hat mich zu Ihnen geschickt, um mehr von Ihnen zu erfahren.«
»Eminenz, leider kann ich Ihnen nicht mehr sagen. Es ist ohnehin schlimm genug, dass ich meinen Eid gegenüber Johannes XXIII. verletzt und mein Schweigen gebrochen habe.«
Diese Worte gefielen Valendrea. »Sie haben darüber als o n och mit keinem anderen gesprochen? Nicht einmal mit einem Beichtvater?«
»So ist es, Eminenz. Außer Papst Clemens habe ich niemandem gesagt, was ich weiß.«
»War nicht der päpstliche Privatsekretär gestern hier?«
»Gewiss. Aber ich habe die Wahrheit nur angedeutet. Er weiß nichts. Sie haben vermutlich meine schriftliche Antwort gesehen?«
»Ja«, log
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