Urbi et Orbi
Vielleicht hatten sie endlich Frieden geschlossen. Zumindest hoffte er das.
Er zerriss den Zettel und ging zur Toilette, wo er alles runterspülte. Eigentlich sonderbar, dass das sein musste. Aber es durfte nichts geben, was sie und ihn miteinander verband. Diese Botschaft musste verschwinden. Säuberlich.
Und warum?
Klarer Fall. Das Protokoll wollte es so. Und sein Image verlangte es.
Weniger klar war ihm, warum das alles ihn zunehmend wütend machte.
M ichener öffnete die Tür zu seiner Wohnung im dritten Stock des Apostolischen Palasts. Seine Räumlichkeiten lagen neben denen des Papstes, wie es für den päpstlichen Privatsekretär seit jeher üblich war. Als er vor drei Jahren hier eingezogen war, hatte er in seiner Naivität geglaubt, der Geist all jener Menschen, die vor ihm hier gelebt hatten, könnte ihn irgendwie leiten. Aber er hatte nichts dergleichen gespürt und gelernt, dass er seinen Weg ganz allein finden musste.
Am Flughafen Rom hatte er ein Taxi genommen, statt sein Büro einen Wagen schicken zu lassen. Gemäß Clemens ’ Befehl wollte er weiter so unauffällig wie möglich reisen. Er hatte den Vatikan über den Petersplatz betreten, in Alltagskleidung wie irgendeiner der vielen tausend Touristen.
An Samstagen war in der Kurie nicht viel los. Die meisten Angestellten hatten frei, und bis auf ein paar Büros im Staatssekretariat war alles geschlossen. Michener war in seinem Büro vorbeigegangen und hatte erfahren, dass Clemens sich nach Castel Gandolfo hatte fliegen lassen und erst Montag zurückerwartet wurde. Die Papstvilla lag achtzehn Meilen südlich von Rom und diente den Päpsten schon seit Jahrhunderten als Rückzugsmöglichkeit. Die Päpste der Neuzeit, die die Villa als Wochenendhaus nutzten oder dort im Sommer Zuflucht vor der drückenden Hitze Roms suchten, ließen sich mit dem Hubschrauber hinfliegen.
Michener wusste, dass der Papst die Villa liebte, machte sich aber dennoch Sorgen. Der Besuch war ungeplant. Er fragt e e inen von Clemens ’ Assistenten, erfuhr aber nur, dass der Papst gesagt hatte, er wolle ein paar Tage auf dem Land verbringen. Also hatte man alle Termine umgelegt. Die Pressestelle hatte ein paar Anfragen bezüglich der Gesundheit des Pontifex ’ erhalten, wie das bei Terminverschiebungen üblich war, doch man hatte sofort die Standarderklärung abgegeben: Der Heilige Vater erfreut sich bester Gesundheit, und wir wünschen ihm ein langes Leben.
Michener machte sich allerdings weiterhin Sorgen, und so ließ er den Assistenten, der Clemens begleitet hatte, ans Telefon kommen.
»Was macht er dort?«, fragte Michener.
»Er wollte einfach nur den See sehen und im Park spazieren gehen.«
»Hat er nach mir gefragt?«
»Mit keiner Silbe.«
»Sagen Sie ihm, dass ich zurück bin.«
Eine Stunde später läutete das Telefon in Micheners Wohnung.
»Der Heilige Vater möchte Sie sehen. Er meinte, eine Fahrt mit dem Auto durch die schöne Landschaft würde Ihnen gewiss gefallen. Verstehen Sie, was er damit sagen will?«
Michener lächelte und blickte auf die Uhr. Es war zwanzig nach drei. »Sagen Sie ihm, dass ich vor Einbruch der Nacht da bin.«
Clemens wollte offensichtlich nicht, dass er den Hubschrauber nahm, obgleich die Schweizergardisten diese Art des Transports vorzogen. Daher rief er beim Wagenpark an und bat, ihm einen Wagen ohne Vatikankennzeichen bereitzustellen.
D ie Fahrt nach Südosten führte am Rand der Albaner Berge entlang durch Olivenplantagen. Die päpstliche Residenz i n C astel Gandolfo bestand aus der Villa Barberini, der Villa Cybo und einem wunderschönen Park, alles am Ufer des Albaner Sees gelegen. Vom lärmenden Treiben der Stadt Rom war an dieser Zufluchtsstätte nichts zu spüren – sie war ein Ort der Ruhe und Einsamkeit im endlosen Treiben der Kirchengeschäfte.
Er fand Clemens im Wintergarten. Michener sah inzwischen wieder aus wie ein richtiger päpstlicher Privatsekretär; er trug den Priesterkragen und eine schwarze Soutane mit roter Schärpe. Der Papst saß zwischen den Pflanzen auf einem Holzstuhl. Die Nachmittagssonne fiel auf die hohen Glaswände, und die warme Luft roch nach Nektar.
»Colin, ziehen Sie doch einen dieser Stühle heran.« Bei diesen Worten lächelte der Papst freundlich.
Michener tat wie geheißen. »Sie sehen gut aus.«
Clemens lächelte. »Ich dachte eigentlich, ich hätte nie schlecht ausgesehen.«
»Sie wissen, was ich meine.«
»Ich fühle mich auch gut. Und Sie werden gerne hören,
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