Urbi et Orbi
gar nichts.«
Dass ausgerechnet Valendrea Bedenken wegen einer Lüge hatte. Doch Michener hielt den Mund.
Ngovi wandte sich an den Arzt: »Würde eine Blutprobe genügen?«
Der Arzt nickte.
»Dann nehmen Sie eine.«
»Dazu haben Sie kein Recht«, donnerte Valendrea. »Das muss mit dem Kardinalskollegium abgestimmt werden. Sie sind nicht der Papst. «
Ngovis Miene blieb ausdruckslos. »Ich jedenfalls möchte wissen, wie dieser Mann gestorben ist. Seine unsterbliche Seele ist mir wichtig.« Ngovi sah den Arzt direkt an. »Machen Sie den Test bitte persönlich, und vernichten Sie dann die Blutprobe. Teilen Sie das Ergebnis keinem außer mir mit. Haben Sie das verstanden?«
Der Mann nickte.
»Sie nehmen sich zu viel heraus, Ngovi«, schimpfte Valendrea.
»Bringen Sie die Sache vors Kardinalskollegium.«
Valendrea stand vor einem Dilemma. Er konnte Ngovi nicht selbst ausbremsen, aber aus nahe liegenden Gründen konnte er sich auch nicht an das Kardinalskollegium wenden. Also war der Toskaner klug und hielt den Mund. Vielleicht, dachte Michener nervös, würde er es Ngovi irgendwann umso schlimmer heimzahlen.
Ngovi öffnete die schwarze Tasche, die er mitgebracht hatte, und holte einen silbernen Hammer heraus. Damit trat er ans Kopfende des Bettes. Michener wusste, dass es zu den Pflichten des Camerlengos gehörte, dieses Ritual durchzuführen, wie sinnlos es inzwischen auch sein mochte.
Ngovi klopfte Clemens leicht mit dem Hammer gegen die Stirn und stellte die Frage, die seit Jahrhunderten jeder Leiche eines Papstes gestellt wurde: »Jakob Volkner, schlafen Sie?«
Es verstrich eine ganze Minute, dann stellte Ngovi die Frage erneut. Nach einer weiteren Minute des Schweigens stellte er sie ein drittes Mal.
Dann verkündete Ngovi die rituellen Worte: »Der Papst ist tot.«
Ngovi hob Clemens ’ rechte Hand hoch. Am Ringfinger steckte der Fischerring.
»Seltsam«, bemerkte Ngovi. »Normalerweise trug Clemens den Ring nicht. «
Das konnte Michener nur bestätigen. Der schwere Goldring war eher ein Petschaft denn ein Schmuckstück. Darauf war der Heilige Petrus als Fischer abgebildet, und den Rand entlang lief Clemens ’ Name und der Tag seiner Papsterhebung. Er war Clemens nach dem letzten Konklave vom damaligen Camerlengo an den Finger gesteckt worden und diente zum Versiegeln päpstlicher Briefe. Wirklich getragen wurde der Papstring nur selten, und Clemens hatte seinen fast nie an der Hand gehabt.
»Vielleicht wusste er, dass wir danach suchen würden«, bemerkte Valendrea.
Michener sah es ebenso. Es wirkte geplant. Und das wiederum sah Jakob Volkner ungemein ähnlich.
Ngovi zog dem Verstorbenen den Ring vom Finger und legte ihn in einen schwarzen Samtbeutel. Später würde er vor den versammelten Kardinälen Ring und Bleisiegel des Papstes mit dem Hammer zerschmettern. So war ausgeschlossen, dass jemand vor der Wahl des nächsten Papstes noch irgendwelche Dokumente mit dem Papstsiegel versah.
»So«, sagte Ngovi.
Michener wurde klar, dass die Machtübergabe damit vollendet war. Die vierunddreißig Monate währende Papstzeit Clemens ’ XV. 267. Nachfolger des Heiligen Petrus, erster deutscher Papst seit neunhundert Jahren, war vorüber. Und ab sofort war auch er selbst nicht mehr der Privatsekretär des Papstes. Er war nur noch ein Monsignore, der vorübergehend noch im Dienst des Camerlengos der Heiligen Römischen Kirche stand.
Katerina eilte durch den Leonardo Da Vinci Flughafen zum Schalter der Lufthansa. Sie hatte einen Flug um ein Uhr nach Frankfurt gebucht. Wohin es von dort aus gehen würde, wusste sie noch nicht, aber darüber würde sie sich morgen oder übermorgen Gedanken machen. Hauptsache, Tom Kealy und Colin Michener waren Vergangenheit. Es wurde Zeit, dass sie endlich etwas aus sich machte. Der Verrat an Michener belastete sie sehr, doch da sie mit Valendrea keinen Kontakt mehr gehabt und Ambrosi herzlich wenig erzählt hatte, war der Verrat vielleicht doch verzeihlich.
Sie war froh, die Zeit mit Kealy hinter sich zu haben, und sie bezweifelte, dass der Ex-Priester noch einen Gedanken an sie verschwendete. Es ging steil aufwärts mit ihm, da brauchte er niemanden, der sich an ihm festklammerte. Genau so fühlte sie sich nämlich. Gewiss, er hatte jemanden gebraucht, der die ganze Arbeit machte, für die er dann den Lohn kassierte, aber gewiss würde er irgendeine andere Frau für diese Rolle finden.
Es war ziemlich viel los im Terminal, aber irgendwann fiel ihr auf, dass sich
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