Urbi et Orbi
verabschieden. Die Menschen haben ihn geliebt und sollten Gelegenheit erhalten, ihm angemessen Lebewohl zu sagen. Daher werden wir heute auch alle der Leiche persönlich das Geleit nach Rom geben. Im Petersdom wird anschließend eine Messe gelesen.«
Viele der Kardinäle nickten.
»Weiß man, woran der Heilige Vater gestorben ist?«, fragte einer der Kardinäle.
Ngovi sah dem Fragensteller ins Gesicht: »Das wird gerade untersucht. «
»Gibt es irgendein Problem?«, fragte ein anderer.
Ngovi hielt die Stellung. »Es sieht so aus, als wäre er friedlich entschlafen. Aber ich bin kein Arzt. Sein Leibarzt wird die Todesursache untersuchen. Wir alle wissen jedoch, dass der Gesundheitszustand des Heiligen Vaters angegriffen war. Dies hier kommt also nicht völlig unerwartet. «
Valendrea war mit Ngovis Erklärungen sehr zufrieden. Andererseits beunruhigte ihn dessen Autorität. Ngovi hatte zur Zeit das Sagen, und er schien diese Tatsache zu genießen. Schon vor einigen Stunden hatte der Afrikaner den päpstlichen Zeremonienmeister und die Apostolische Kammer angewiesen, die Leitung der Kurie zu übernehmen, wie das während der Sedisvakanz traditionell vorgesehen war. Als er die Wächter angewiesen hatte, ohne seine ausdrückliche Erlaubnis niemanden, und nicht einmal die Kardinäle, einzulassen, hatte er auch in Castel Gandolfo das Kommando übernommen. Darüber hinaus hatte er die Papstwohnung im Apostolischen Palast versiegeln lassen.
Er hatte sich mit der vatikanischen Pressestelle kurzgeschlossen, die Veröffentlichung einer schon vorbereiteten Erklärung zu Clemens ’ Tod veranlasst und drei Kardinäle als zuständige Ansprechpartner für die Medien bestimmt. Alle anderen hatten Anweisung erhalten, Interviews abzulehnen. Die diplomatischen Vertreter des Vatikans wurden aufgefordert, die Presse zu meiden, den Kontakt zu den jeweiligen Staatsoberhäuptern jedoch zu suchen. Aus den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich und Spanien waren bereits Beileidsnoten eingetroffen.
All diese Maßnahmen gehörten in den Aufgabenbereich des Camerlengos, und so konnte Valendrea nichts dagegen einwenden. Aber das Letzte, was er brauchte, war ein Kardinalskollegium, das sich auf Ngovis innere Kraft stützte. Zwar waren seit Beginn der Neuzeit nur zwei Camerlengos zu Päpsten gewählt worden, so dass man diese Stellung nicht als Trittbrett für die Papstwürde betrachten konnte. Doch leider verhielt es sich mit dem Staatssekretariat nicht anders.
»Wird das Konklave pünktlich beginnen?«, fragte ein Kardinal aus Venedig.
»In fünfzehn Tagen«, antwortete Ngovi. »Wir werden rechtzeitig bereit sein. «
Nach den von Johannes Paul II. in der Apostolischen Konstitution erlassenen Regeln war dies der frühestmögliche Termin für den Beginn eines Konklaves. Der Bau des Domus Sanctae Marthae, eines geräumigen, hotelähnlichen Gebäudes, das normalerweise von Seminaristen bewohnt wurde, hatte die Last der Vorbereitungen beträchtlich verringert. Nun musste nicht mehr jeder verfügbare Winkel in ein improvisiertes Quartier umgewandelt werden, und Valendrea war froh über diese Veränderung. Die neuen Unterkünfte waren wenigstens bequem. Zum ersten Mal hatten die Kardinäle das Gebäude während des Konklaves bezogen, aus dem Clemens als Papst hervorgegangen war, und Ngovi hatte bereits angeordnet, dass die Räume für die wahlberechtigten 113 Kardinäle unter achtzig Jahren vorbereitet werden sollten.
»Kardinal Ngovi«, sprach Valendrea den Afrikaner an . » Wann wird der Totenschein ausgestellt?« Er hoffte, dass nur Ngovi die wahre Bedeutung dieser Frage verstand.
»Ich habe den Zeremonienmeister sowie die Prälaten, den Sekretär und den Kanzler der Apostolischen Kammer heute Abend in den Vatikan einbestellt. Bis dahin wird die Todesursache festgestellt sein. «
»Wird eine Autopsie durchgeführt?«, fragte einer der Kardinäle.
Valendrea wusste, dass das ein kritisches Thema war. Bisher war erst ein einziger Papst einer Autopsie unterzogen worden, und zwar um die Frage zu klären, ob er von Napoleon vergiftet worden war. Bei Johannes Pauls I. unerwartetem Tod war eine Post-mortem-Untersuchung im Gespräch gewesen, doch die Kardinäle hatten Bemühungen in diese Richtung unterdrückt. Die jetzige Situation war jedoch anders. Damals war es um Päpste gegangen, von denen der eine unter verdächtigen Umständen gestorben war und der andere unerwartet. Clemens ’ Tod kam dagegen nicht unerwartet. Er war bei
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