Urbi et Orbi
sein Amt im Dienst des Heiligen Stuhls offiziell enden.
Kardinal Ngovi hatte ihn gebeten, bis zum Beginn des Konklaves in Rom zu bleiben. Er hatte ihm, Michener, sogar eine Stelle in der von Ngovi geleiteten Kongregation für das Katholische Bildungswesen angeboten, doch der Afrikaner konnte für die Zeit nach dem Konklave nichts Festes garantieren. Auch seine Berufung in den Vatikan war mit Clemens ’ Tod zu Ende, und der Camerlengo hatte schon seine Absicht erklärt, nach Afrika zurückzukehren, falls Valendrea gewählt werden sollte.
Clemens ’ Bestattung war schlicht gewesen und hatte vor dem frisch restaurierten Eingangsportal des Petersdoms stattgefunden. Eine Million Menschen hatten sich auf dem Platz gedrängt, und die Flamme der einzigen Kerze neben dem Sarg hatte heftig im Wind geflackert. Michener hatte nicht bei den Kardinälen gesessen, wie es der Fall gewesen wäre, wenn die Dinge sich ein wenig anders entwickelt hätten. Stattdessen hatte er unter den Mitarbeitern des verstorbenen Papstes Platz genommen, die diesem vierunddreißig Monate lang treu gedient hatten. Mehr als hundert Staatsoberhäupter hatten a n d em Akt teilgenommen, und alles war von Fernseh- und Radiosendern aufgezeichnet und in der ganzen Welt ausgestrahlt worden.
Ngovi leitete den Abschiedsgottesdienst nicht, sondern delegierte die Ansprachen an andere Kardinäle. Ein kluger Schachzug, der dem Camerlengo gewiss die Sympathie der Auserwählten eintragen würde. Vielleicht nicht genug, um sich ihre Stimmen fürs Konklave zu sichern, aber doch immerhin so, dass sie ihm bereitwillig zuhören würden.
Es war keine Überraschung, dass Valendrea bei den Reden übergangen worden war, und es war gut zu begründen. Während der Sedisvakanz konzentrierte der Kardinalstaatssekretär sich auf die Außenbeziehungen des Heiligen Stuhls. Da er davon ganz in Anspruch genommen wurde, erging die Aufgabe, Clemens in Gedenkreden zu preisen, traditionsgemäß an andere Würdenträger. Valendrea hatte seine Pflichten ernst genommen und war in den letzten beiden Wochen eine verlässliche Anlaufstelle für die Presse gewesen. Jeder größere Nachrichtendienst der Welt hatte ihn interviewt, und der Toskaner hatte mit knappen, sorgfältig gewählten Worten geantwortet. Nach dem Ende des Gottesdienstes trugen zwölf Träger den Sarg durch die Porta della Morte und hinunter in die Krypta. Der Sarkophag, den die Steinmetze in aller Eile hergerichtet hatten, trug das Bildnis Clemens ’ II . jenes deutschen Papstes aus dem elften Jahrhundert, den Jakob Volkner so bewundert hatte. Außerdem war er mit dem Papstwappen Clemens ’ XV. geschmückt. Er stand in der Nähe von Johannes ’ XXIII. letzter Ruhestätte, was Clemens gewiss ebenfalls gefallen hätte. Nun ruhte der Verstorbene mit 148 seiner Vorgänger in der Krypta.
»Colin.«
Er hörte, dass jemand ihn laut beim Namen rief, und blie b s tehen. Katerina kam quer über den Petersplatz auf ihn zu. Seit ihrer Trennung in Bukarest vor beinahe drei Wochen hatte er sie nicht mehr gesehen.
»Du bist wieder in Rom?«, fragte er.
Katerina sah anders aus. Sie trug jetzt Chinos, ein schokobraunes Wildlederhemd und eine Pepita-Jacke. Ein bisschen schicker, als er sie in Erinnerung hatte, aber nichtsdestoweniger sehr attraktiv.
»Ich war gar nicht weg.«
»Du bist von Bukarest hierher geflogen?«
Sie nickte. Der Wind zerzauste ihr dunkelbraunes Haar, und sie strich sich die Strähnen aus dem Gesicht. »Ich wollte gerade abfliegen, da erfuhr ich von Clemens ’ Tod und beschloss zu bleiben.«
»Was hast du hier gemacht?«
»Ich schreibe für ein paar Zeitungen Artikel über die Bestattung. «
»Ich hab Kealy auf CNN gesehen.« In den letzten Wochen war der Priester dort regelmäßig aufgetreten und hatte tendenziöse Einblicke in das bevorstehende Konklave geliefert.
»Ich auch. Aber ich bin Tom seit dem Tag nach Clemens ’ Tod nicht mehr persönlich begegnet. Du hattest Recht. Das ist nicht mein Niveau.«
»Eine gute Entscheidung. Ich hab den Blödmann im Fernsehen gehört. Er hat eine Meinung zu allem und jedem, nur ist sie leider meistens falsch.«
»Vielleicht hätte CNN ja dich engagieren sollen?«
Er kicherte. »Das hätte gerade noch gefehlt.«
»Was hast du vor, Colin?«
»Ich bin gerade auf dem Weg, um Kardinal Ngovi zu sagen, dass ich nach Rumänien zurückkehre.«
»Um Hochwürden Tibor wieder zu besuchen?«
»Du weißt es noch gar nicht?«
Sie sah ihn erstaunt an. Also erzählte er ihr
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