Urbi et Orbi
von Tibors Ermordung.
»Der arme Mann. Das hat er nicht verdient. Und die Kinder. Er war doch alles, was sie hatten.«
»Genau deswegen fahre ich ja dorthin. Du hattest Recht. Es wird Zeit, dass ich etwas mit meinem Leben anfange.«
»Du wirkst zufrieden mit deiner Entscheidung.«
Er sah über den Platz. Als päpstlicher Privatsekretär hatte er sich im Vatikan ungehindert bewegen können. Jetzt fühlte er sich dort wie ein Fremder. »Es ist Zeit weiterzugehen.«
»Schluss mit dem Leben im Elfenbeinturm?«
»Für mich ja. Dieses Waisenhaus in Zlatna wird jetzt eine Weile mein Zuhause sein.«
Sie verlagerte das Gewicht. »Wir sind weit gekommen. Kein Streit. Keine Wut. Endlich Freunde.«
»Nur nicht denselben Fehler wiederholen. Mehr kann man sich nicht erhoffen.« Er sah, dass sie ihm zustimmte, und war froh, dass sie sich getroffen hatten. Aber Ngovi wartete auf ihn. »Pass auf dich auf, Kate.«
»Du auch, Colin.«
Als er ging, kämpfte er gegen den Impuls an, sich ein letztes Mal nach ihr umzudrehen.
E r traf Ngovi in seinem Büro in der Kongregation für das katholische Bildungswesen an. Der ganze Trakt war zur Zeit der reinste Ameisenhaufen. Anscheinend arbeitete man auf Hochtouren daran, alles zu erledigen, bevor am nächsten Tag das Konklave begann.
»Ich glaube tatsächlich, dass wir es geschafft haben«, sagte Ngovi.
Die Tür wurde geschlossen, nachdem die Mitarbeiter Anweisung erhalten hatten, nicht zu stören. Michener erwartete ein weiteres Stellenangebot, da Ngovi ihn um das Gespräch gebeten hatte.
»Ich habe bis heute gewartet, um etwas mit Ihnen zu besprechen, Colin. Ab morgen bin ich in der Sixtinischen Kapelle eingeschlossen.« Ngovi richtete sich im Stuhl auf. »Ich möchte, dass Sie nach Bosnien reisen.«
Die Aufforderung überraschte Michener. »Aber wozu? Wir beide waren der Meinung, dass diese ganze Sache lächerlich ist. «
»Ich mache mir aber auch Sorgen. Clemens hatte sich in irgendetwas verbissen, und ich möchte seine Wünsche erfüllen. Das ist die Pflicht eines Camerlengos. Er wollte erfahren, wie das zehnte Geheimnis lautet. Und das will ich auch.«
Michener hatte Clemens ’ letzte E-Mail Ngovi gegenüber bisher nicht erwähnt. Daher griff er jetzt in die Tasche und zog seinen Ausdruck hervor. »Sie sollten das hier lesen.«
Der Kardinal setzte eine Brille auf und las die Nachricht aufmerksam durch.
»Er hat diese Mail an jenem Samstag geschickt, kurz vor Mitternacht. Maurice, er hatte Wahnvorstellungen. Wenn ich jetzt durch Bosnien tappe, machen wir nur alle neugierig. Warum lassen wir die Sache nicht einfach auf sich beruhen?«
Ngovi setzte die Brille ab. »Jetzt ist es mir sogar noch wichtiger, dass Sie dorthin reisen.«
»Sie klingen wie Jakob. Was ist nur mit Ihnen los?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass dies hier ihm wichtig war und dass wir zu Ende bringen sollten, was ihm so am Herzen lag. Die Information, dass Valendrea einen Teil des dritten Geheimnisses unterschlagen hat, lässt Nachforschungen dringend erforderlich erscheinen.«
Michener war nicht überzeugt. »Bisher sind keine Fragen über Clemens ’ Tod laut geworden. Möchten Sie das Risiko eingehen, dass sich das ändert?«
»Darüber habe ich schon nachgedacht, doch ich glaube kaum, dass die Presse sich für Sie interessieren wird. Die Medien haben genug mit dem Konklave zu tun. Deswegen möchte ich, dass Sie dorthin fliegen. Haben Sie noch diesen Brief an den Seher?«
Michener nickte.
»Ich gebe Ihnen noch einen von mir unterschriebenen Brief mit. Das sollte genügen.«
Dann erzählte Michener dem Camerlengo von seinem Plan, nach Rumänien zu gehen. »Kann das in Bosnien denn kein anderer erledigen?«
Ngovi schüttelte den Kopf. »Sie kennen die Antwort.«
Er kam Michener ungewöhnlich besorgt vor.
»Sie sollten noch etwas wissen, Colin.« Ngovi zeigte auf die E-Mail. »Es hat damit zu tun. Sie sagten mir, dass Valendrea mit dem Papst in der Riserva war. Ich habe das Besucherprotokoll überprüft. Am letzten Freitagabend vor Clemens ’ Tod ist dieser Besuch tatsächlich eingetragen. Allerdings gibt es noch etwas, was Sie nicht wissen. Samstagabend hat Valendrea den Vatikan verlassen. Die Reise war nicht geplant. Er hat sogar alle Termine abgesagt, um Zeit dafür zu haben. Er war bis Sonntagmorgen weg.«
Michener war von Ngovis Informationsnetzwerk beeindruckt. »Ich wusste nicht, dass Sie alles so genau im Blick haben. «
»Der Toskaner ist hier nicht der Einzige, der
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