Urbi et Orbi
hatte festgestellt, dass Ambrosi über mehrere dieser Verräter äußerst interessante Informationen zusammengetragen hatte. Genug, um sie von ihrem Irrweg abzubringen, und er hatte vor, seinen Helfer noch in dieser Nacht zu ihnen zu schicken. Ab morgen würde es schwierig sein, Druck zu machen. Er konnte einiges unternehmen, um seine Anhänger bei der Stange zu halten, doch während des Konklaves waren die Räumlichkeiten einfach zu beengt und ein Gespräch unter vier Augen schwierig zu arrangieren. Zudem übte die Sixtinische Kapelle ihre Wirkung auf die Kardinäle aus. Manche nannten es das Wirken des Heiligen Geistes, andere einfach Ehrgeiz. Jedenfalls wusst e e r, dass er sich seine Stimmen umgehend sichern musste. Die bevorstehende Versammlung war dann nur die Bestätigung, dass jeder willens war, seinen Teil der Übereinkunft einzuhalten.
Natürlich konnte man sich mit Erpressung nur eine begrenzte Zahl von Stimmen verschaffen. Die Mehrheit seiner Unterstützer hielt ihm die Treue, weil er einen guten Stand in der Kirche hatte und sein Hintergrund ihn unter den Favoriten als besonders papabile auszeichnete. Er war stolz darauf, in den letzten Tagen alles vermieden zu haben, was ihm diese natürlichen Verbündeten hätte entfremden können.
Er war noch immer erschüttert von Clemens ’ Selbstmord. Niemals hätte er erwartet, dass der Deutsche seine Seele derart gefährden würde. Aber etwas, was Clemens vor beinahe drei Wochen in der Papstwohnung zu ihm gesagt hatte, ging ihm nach wie vor durch den Kopf: Ich hoffe wirklich, dass Sie mein Nachfolger werden. Sie werden feststellen, dass die Realität durchaus nicht Ihren Erwartungen entspricht. Vielleicht sollte es wirklich Sie treffen. Hinzu kam, was der Papst in jener Freitagnacht nach dem Besuch in der Riserva zu ihm gesagt hatte: Ich wollte, dass Sie wissen, was Sie erwartet. Und warum hatte Clemens ihn nicht daran gehindert, die Übersetzung zu verbrennen? Sie werden sehen.
»Zum Teufel mit dir, Jakob«, murmelte er.
Es klopfte an die Bürotür. Ambrosi trat ein und kam zum Schreibtisch. In der Hand hielt er ein kleines Diktiergerät . » Hören Sie sich das an. Das habe ich gerade vom Tonband überspielt. Michener und Ngovi vor etwa vier Stunden in Ngovis Büro.«
Die Aufzeichnung dauerte etwa zehn Minuten. Dann schaltete Valendrea das Gerät aus. »Erst Rumänien, jetzt Bosnien. Sie finden einfach kein Ende.«
»Offensichtlich hat Clemens Michener einen Abschiedsbrief per E-Mail geschickt.«
Ambrosi wusste über Clemens ’ Selbstmord Bescheid. Valendrea hatte ihm unter anderem auch davon erzählt. Ambrosi hatte ebenfalls von der Begegnung mit Clemens in der Riserva erfahren. »Ich muss diese E-Mail lesen.«
Ambrosi stand kerzengerade vor dem Schreibtisch. »Ich sehe nicht, wie man das anstellen könnte.«
»Wir könnten wieder Micheners Freundin vorschicken. «
»Daran habe ich auch schon gedacht. Aber wozu sollte das gut sein? Das Konklave beginnt morgen. Bis zum Sonnenuntergang sind Sie Papst. Oder spätestens übermorgen.«
Möglich. Aber vielleicht wurde es auch eng, und die Wahl zog sich viele Tage hin. »Es beunruhigt mich, dass unser afrikanischer Freund offensichtlich sein eigenes Informationsnetzwerk hat. Ich wusste nicht, dass er mich beobachten lässt. « Es beunruhigte ihn außerdem, dass Ngovi seine Reise nach Rumänien sofort mit Tibors Ermordung in Verbindung gebracht hatte. Das konnte zum Problem werden. »Ich möchte, dass Sie Katerina Lew suchen.«
Er hatte die Journalistin nach Rumänien absichtlich nicht mehr kontaktiert, da es schlichtweg unnötig geworden war. Clemens hatte ihm ja schon alles verraten, was er wissen musste. Doch es ärgerte ihn, dass Ngovi Leute mit Privataufträgen losschickte. Umso mehr, wenn es um Dinge ging, die ihn berührten. Doch er konnte wenig daran ändern, denn es wäre zu riskant gewesen, das Kardinalskollegium einzuschalten. Man würde ihm zu viele Fragen stellen, auf die er zu viele Antworten schuldig bleiben müsste. Außerdem könnte Ngovi die Gelegenheit beim Schopf packen, eine Untersuchung seiner eigenen Reise nach Rumänien zu erzwingen, und eine solche Steilvorlage würde er dem Afrikaner auf keinen Fall liefern.
Valendrea war der einzige noch lebende Mensch, der wusste, was die Heilige Jungfrau gesagt hatte. Drei Päpste waren seitdem gestorben. Er hatte einen Teil von Tibors verfluchter Reproduktion vernichtet, den Priester selbst eliminiert und die handschriftliche Aufzeichnung
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