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Urbi et Orbi

Urbi et Orbi

Titel: Urbi et Orbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
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das nach dem Tod des Papstes in einer seiner Sendungen erwähnt –, doch sie hatte keinen Versuch unternommen, seine neue Adresse herauszubekommen. Nach der Begegnung von eben hatte sie mit dem Gedanken gespielt, ihm nach Rumänien zu folgen. Doch jetzt ergab sich eine neue Möglichkeit. Bosnien.
    »Wann bricht er auf?«, fragte sie, wütend auf sich selbst, weil es so interessiert klang.
    Ambrosis Augen leuchteten zufrieden auf. »Ich weiß e s n icht.« Der Priester fuhr mit der Hand in die Soutane und brachte einen Zettel zum Vorschein. »Das ist seine Adresse. Die Wohnung liegt nicht weit von hier. Sie könnten … ihn trösten. Sein Mentor ist tot, sein Leben liegt in Scherben. Sein Feind wird bald Papst sein …«
    »Valendrea ist ja ziemlich von sich eingenommen.«
    »Genau wie Sie.«
    Sie ging nicht darauf ein. »Und worum geht es?«
    »Das lassen Sie unsere Sorge sein.«
    »Halten Sie Colin für so dumm? Denken Sie etwa, er wird sich mir öffnen – und mich sogar zur Begleitung mitnehmen?«
    »So hatte ich mir das vorgestellt.«
    »So schwach ist er nicht.«
    Ambrosi lächelte. »Und ob. Jede Wette.«
    37
    Rom, 19.00 Uhr
     
    M ichener schlenderte über die Via Giotto zu seiner Wohnung. Das Viertel, in dem er sich befand, hatte sich zu einem Mittelpunkt der Theaterszene entwickelt, und die Straßen waren von gut besuchten Cafés gesäumt, in denen sich seit jeher die Intellektuellen und Vertreter radikaler politischer Ansichten tummelten. Er wusste, dass Mussolinis Aufstieg zur Macht hier in der Nähe angebahnt worden war. Zum Glück hatten die meisten Gebäude die architektonischen Säuberungen des Duce überstanden, so dass noch immer viel von der Atmosphäre des neunzehnten Jahrhunderts geblieben war.
    Er hatte sich mit Mussolini befasst und nach seinem Einzu g i n den Apostolischen Palast einige Biografien gelesen. Mussolini hatte in seiner Maßlosigkeit davon geträumt, alle Italiener in Uniform zu stecken und Roms alte Häuser mit ihren Terrakotta-Dächern durch schimmernde Marmorfassaden zu ersetzen, einschließlich zahlreicher Obelisken, die an seine großen militärischen Siege erinnern sollten. Doch der Duce endete mit einer Kugel im Kopf, und seine Leiche wurde kopfüber aufgehängt und zur Schau gestellt. Von seinem grandiosen Plan war nichts geblieben. Michener machte sich Sorgen, dass die Kirche unter einem Papst Valendrea vielleicht ein ähnliches Schicksal erleiden könnte.
    Größenwahn war eine Geisteskrankheit, die vor allem auf Arroganz gründete. Valendrea litt ganz eindeutig daran. Dass der Staatssekretär das Zweite Vatikanische Konzil und alle späteren Kirchenreformen ablehnte, war kein Geheimnis. Wurde Valendrea sehr rasch gewählt, ließ sich das als ein Mandat für eine radikale reaktionäre Umkehr deuten. Am schlimmsten daran war, dass der Toskaner ohne weiteres zwanzig Jahre oder länger an der Macht bleiben konnte. Das bedeutete, dass er das Heilige Kardinalskollegium ganz nach seinen Wünschen ummodeln konnte, genau wie Johannes Paul II. es während seiner langen Papstzeit getan hatte. Doch Johannes Paul II. war ein gütiger Papst gewesen, ein Mann mit Visionen. Valendrea dagegen war ein Teufel. Michener hatte also umso mehr Grund, sich in die Karpaten zurückzuziehen. Ob es Gott und das Paradies nun gab oder nicht, diese Kinder brauchten ihn.
    Michener war an seinem Wohnhaus angekommen und stieg die Treppe in den zweiten Stock hinauf. Ein Bischof und ehemaliger Freund des Papstes hatte ihm die möblierte Dreizimmerwohnung für ein paar Wochen mietfrei überlassen, und Michener wusste diese Geste zu schätzen. Vor einigen Tage n h atte er Clemens ’ Möbel abholen lassen. Die fünf Kartons mit Clemens ’ persönlichen Sachen und seine Holztruhe standen oben in der Wohnung. Ursprünglich hatte Michener beabsichtigt, Rom Ende der Woche zu verlassen. Nun war die Reise nach Bosnien dazwischengekommen. Ngovi hatte ihm einen Flugschein gegeben, also würde Michener morgen fliegen. Nächste Woche aber würde er nach Rumänien weiterreisen und ein neues Leben beginnen.
    Zum Teil grollte er Clemens wegen seiner Entscheidung. Die Geschichte war voll von Päpsten, die nur wegen ihres erhofften und in Bälde erwarteten Todes gewählt worden waren, doch sie hatten allen ein Schnippchen geschlagen und ein Jahrzehnt oder länger durchgehalten. Jakob Volkner hätte einer dieser Oberhirten sein können. Er war ein Papst gewesen, der etwas hätte bewirken können. Doch mit seinem Freitod

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