Urgum der Barbar
Mungoid«, sagte Molly. »Jetzt komm schon, Papa.« Sie schnappte sich Urgums Hand und zog ihn hinter sich her.
»Wohin gehen wir denn?«, fragte Urgum, der seine Füße nachschleifte.
»Nach Hause.«
Sie waren schon fast beim Höhleneingang, als Urgum seine Fersen in den Boden presste und stehen blieb. Divina stand immer noch unter dem grellen Licht der Fackel im Höhleneingang und versuchte dabei, so auszusehen, als könnte ihr nichts auf der Welt gleichgültiger sein.
»Das ist nicht mein Zuhause«, sagte Urgum. »Mein Zuhause hat keinen Sah-Loh und keine Toy-Lätte.«
»Mama!«, rief Molly. »Ich hab Papa gefunden!«
»Puh! Das merke ich!«, sagte Divina. »Was macht er denn hier? Ich hab gedacht, er ist unten in der Toilette.«
»Er ist müde und hungrig, also bitte ihn reinzukommen«, sagte Molly.
»Vielleicht will er gar nicht reinkommen«, sagte Divina. »Er hat mehr als deutlich gemacht, dass es ihm nicht gefällt, was ich gemacht habe. Tja, wenn er wie ein Wilder leben will, dann lass ihn gehen und wie einen Wilden leben.«
»Siehst du, Molly?«, sagte Urgum. »Das ist nicht mein Zuhause. Voller Kissen und Seide und Sah-Lohs. Deine Mama hat hart gearbeitet, um was aus der Höhle zu machen. Da braucht sie keinen stinkenden alten Wilden, der ihr alles ruiniert. Dieses ganze moderne Leben, da pass ich einfach nicht rein.«
»Natürlich tust du das!«, sagte Molly.
»Nein«, sagte Urgum. »Und jetzt, wo ihre schicken Freundinnen kommen, da schämt sie sich doch nur wegen mir.«
»Sag’s ihm, Mama.«
»Ihm was sagen?«
»Sag ihm, dass deine schicken Freundinnen nicht kommen, weil du genau weißt, dass sie nicht kommen. Es ist schon mitten in der Nacht.«
Divina wandte ihnen ihren Rücken zu, aber Molly war noch nicht fertig.
»Und sag ihm, dass deine Freundinnen eigentlich grauenhaft sind und langweilig. Sag ihm, dass du ihn viel lieber hast. Mach schon, er wartet.«
»Ich sag ihm gar nichts«, sagte Divina. »Er verdient es nicht, dass man mit ihm redet, solange er sich in diesem dreckigen, stinkenden Zustand befindet.«
»Siehst du?«, sagte Urgum. »Ich geh zurück zu Mungoid. Zumindest hab ich’s versucht.«
»Nein, du hast es nicht versucht!«, rief Molly. »Keiner von euch hat es versucht! Das ist SO DÄMLICH.
Wir können also alle zusammen keine nette Familie sein wegen ein bisschen Dreck? Versteh ich das richtig?«
Daraufhin herrschte ein unbehagliches Schweigen. Urgum starrte auf den Boden und Divinas Füße zuckten verschämt. Molly ließ ein tiefes, frustriertes Seufzen ertönen, dann brüllte sie rüber zu Mungoid, der sie beobachtete: »Mungoid, bring uns etwas Wasser.«
Mungoid hielt das nicht für eine gute Idee, aber gleichzeitig war er zu weit weg, um genau verfolgen zu können, was da drüben vorging. Es war ziemlich lange her, seitdem er zuletzt gesehen hatte, dass Urgum und Divina einen richtig saftigen Streit austrugen, und er wollte das auf keinen Fall verpassen, also beeilte er sich, eine Riesenmuschel mit Wasser aus dem Felsenreservoir zu füllen und zu ihnen zu tragen.
»Na schön, Papa«, sagte Molly. »Du weißt, was du zu tun hast.«
»Was?«, murmelte Urgum, der die Riesenmuschel in Mungoids Hand zornig anschaute.
»Wasch dich«, sagte Molly.
Es gab einen Augenblick geschockten Schweigens, weil Divina der einzige Mensch war, der Urgum je dazu gebracht hatte, sich zu waschen, und das überlebt hatte. (Das war so ein grässlicher Vorfall, dass jeder, der davon hören würde, sich sofort übergeben müsste.)
»Nun?«, fragte Molly, die geschocktes Schweigen inzwischen ziemlich langweilig fand. »Hat mein tapferer Vater etwa Angst vor ein bisschen Wasser? Ich hab nämlich keine.«
Molly beugte ihren Kopf über die Muschel und spritzte sich etwas Wasser ins Gesicht.
»Siehst du?«, sagte sie. »Ist das etwa so schwer?« Molly trat zurück und bedeutete Urgum, zu der Muschel zu gehen.
»Nun mach schon«, befahl Molly. »Du bist dran! Mach schon, tu’s für Mama.«
Urgum trat ganz langsam auf Mungoid zu, der die Schüssel mit ausgestreckten Armen hielt. Mungoid hatte keine Ahnung, was passieren würde. Urgum konnte die Muschel zerschlagen, er konnte Mungoid zerschlagen, er konnte Mungoid mit der Muschel zerschlagen... Mungoid machte die Augen zu und bereitete sich auf das Unerwartete vor.
Mungoid machte die Augen auf und sah, dass Urgum seine Fingerspitzen ins Wasser tauchte. Das hatte er ganz bestimmt nicht erwartet.
»Er wird’s nicht machen«, sagte
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