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Urlaub fuer rote Engel

Urlaub fuer rote Engel

Titel: Urlaub fuer rote Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Landolf Scherzer
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Kilometer. Ich habe also Zeit, die ökonomischen Hintergründe
     dieser Fahrt nach Bonn im Kopf zu sortieren.
    Bis zum Mauerfall waren die BASF-Tochter »Kali und Salz AG« – nach 1971 der einzige westdeutsche Kaliproduzent – und die DDR-Kaliindustrie
     erbitterte Konkurrenten auf dem Weltmarkt. Ein Beispiel dafür: Obwohl Regierung, Presse und Kalikonzerne der BRD und der DDR
     immer wieder verlangten, endlich die Werra zu entsalzen, war die »Kali und Salz AG« nur unter der Voraussetzung bereit, »die
     Aufbereitungsverfahren an die DDR zu geben, wenn die östlichen Vertragspartner keine durch die neue Technik entstehenden Kaliprodukte
     auf den Weltmärkten anbieten und somit nicht die Existenz des Technologielieferanten aus dem Westen gefährden« (Weserkurier
     vom 26. Januar 1988). Damals exportierte die ostdeutsche Kaliindustrie fast noch doppelt so viel wie die »Kali und Salz AG«,
     davon 60 Prozent in kapitalistische Länder. Bis 1990 gelang es den Westdeutschen nicht, die DDR von der dritten Stelle auf
     dem Weltmarkt zu verdrängen. Aber was bis zum Herbst 1989 ein gut gehütetes Geheimnis für die Westkonkurrenz war, änderte
     sich mit dem Fall der Mauer. Nur ein paar Tage danach, am 14. November 1989, fuhren die ersten freundlichen »Berater« des
     westdeutschen Kalikonzernsbei ihren ehemaligen Erzkonkurrenten an der Werra in die Gruben ein, begutachteten später auch die Bücher, die Produktions-
     und Effektivitätskennziffern. Und rieten unter dem Deckmantel der Umweltentlastung ausgerechnet dazu, auf das einzige in Preis
     und Nachfrage ständig steigende Kaliprodukt, auf die Produktion des Kaliumsulfats, an der Werra zu verzichten. Vertraglich
     geregelt wurde, dass die Marktanteile der Ostdeutschen an diesem Produkt von der »Kali und Salz AG« (sie hielt 40 Prozent
     des Weltmarktanteils bei Kaliumsulfat) mitbeliefert werden. Anschließend verordnete man der ostdeutschen Kaliindustrie, allen
     marktwirtschaftlichen Prinzipien hohnsprechend, ein Ausfuhrverbot ihrer Produkte in alle alten Bundesländer. (Wir hatten schließlich
     auch genügend Butter, Milch und Quark in Ostdeutschland, konnten aber die westdeutschen Milchkonzerne nicht daran hindern,
     den ostdeutschen Markt zu besetzen.) Es blieb für die ostdeutschen Kaliproduzenten der Markt der ehemaligen DDR, also der
     zusammenbrechenden landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, die kaum noch Dünger abnahmen. Und obendrein musste die
     ostdeutsche Kaliindustrie dem Wiener Kali-Exportkartell beitreten, das den hiesigen Kalibetrieben so hohe Preise diktierte,
     dass die bislang nicht gerade reichen Kunden aus der Dritten Welt absprangen und sich nun Kali zu Dumpingpreisen in der ehemaligen
     Sowjetunion besorgten.
    Natürlich wurden auch die für die Entwicklungsländer günstigen Kopplungsgeschäfte mit der ehemaligen DDR, zum Beispiel »Kali
     gegen Kaffee«, untersagt, außerdem war der Kaffeemarkt in Ostdeutschland inzwischenunter Bremer und Hamburger Kaffeekonzernen aufgeteilt. Danach dauerte es nur noch wenige Treuhand-Verhandlungsmonate, bis
     die Ostdeutschen bereit waren, ihre Gruben in Bischofferode und Merkers zu schließen und das unbestritten hochwertigere Kalisalz
     aus Merkers später durch einen Grubenverbund aus dem Hessischen abbauen zu lassen. Dieser Grubenverbund würde rund 150 Millionen
     DM Treuhandgelder, also Steuergelder, kosten. Hätte man zwei Jahre zuvor nur 33 Millionen Mark (und nicht 150) für die fast
     fertige neue Kaliumsulfatfabrik in Merkers ausgegeben, könnte man weiter Kali verarbeiten, dort, wo man es produziert: in
     Thüringen. Aber sobald solche Art von eigenständigen Gedanken in ein Konzept einflossen (und nicht die Konkurrenzbereinigung
     nach Art von »Kali und Salz«), drohte der inzwischen übermächtige Kalikonzern im Westen: »Sorgen bereitet ›Kali und Salz‹
     die Absicht der Treuhand, die Mitteldeutsche Kaligesellschaft zu einem rentablen Unternehmen zu sanieren. Gegenüber subventionierten
     Staatsunternehmen mit aggressiver Preispolitik und diesem Marktangriff wird sich ›Kali und Salz‹ mit allen Mitteln wehren.«
     (Nachzulesen in VWD-Spezial, Nr. 221)
    Sie mussten sich nicht wehren. Die Treuhand stand ihnen hilfreich zur Seite, auch mit Beratern, Experten und bewährten Kadern,
     die sie von »Kali und Salz« ausborgte und in die Führungsgremien der ostdeutschen Kaliindustrie lancierte. Unter anderem Alwin
     Cottoff, zuvor Direktor bei »Kali und Salz«, danach

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